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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: Johanna Marthens
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Augen mit dem Feuerzeug verbrannt. Der Versuch, ihr ein paar Tage später noch einmal etwas über ihn zu entlocken, hatte mir nur eine Ohrfeige eingebracht. Daraufhin ließ ich es lieber.
    Er war zweifellos attraktiv, ich konnte verstehen, dass meine Mutter auf ihn geflogen war. Und dass sie sehr gelitten haben musste, als er sie verließ.
    Er sah mich verlegen an.
    »Du hast mich nicht erkannt?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich war vier gewesen, als er eines Tages nicht mehr aufgetaucht war. Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass meine Mutter zu der Zeit ständig geweint hatte und ich täglich leere Weinflaschen wegräumen musste, die im Wohnzimmer rumstanden. Und ich erinnerte mich an ein Fotoalbum, das ich eines Tages in einem Schrank gefunden hatte, das meine Mutter und ihn zeigte, glücklich verliebt. Dann die beiden und mich, wobei er nicht mehr ganz so glücklich wirkte. Und dann ein Bild mit dem schreienden Baby Isabelle, auf dem wir alle vier höchst unglücklich aussahen. Vermutlich kam er mir von den Fotos bekannt vor, seine Nase und sein Lachen. Ich wollte erneut in meiner Erinnerung kramen, doch da war nicht mehr viel. Das Bild von ihm entglitt mir immer wieder.
    »Ich hatte kein Geld, das ich euch hätte schicken können«, sagte er entschuldigend. »Ich habe mich kaum selbst ernähren können.«
    Ich nickte erneut. Was hätte ich ihm auch sagen sollen?
    »Damals gab es nach den ersten Outings jede Menge Vampirsichtungen, ich war arbeitslos und dachte, ich könnte mich als Kopfgeldjäger durchschlagen, aber es war hart, verdammt hart. Ich hatte oft wochenlang nur trockenes Brot zu essen, aus den Kaninchenställen der Nachbarn gestohlen. Und Möhren. Immerhin sind dadurch meine Ohren gewachsen.« Er versuchte ein Lächeln.
    Ich verzog den Mund. »Du hättest dich wenigstens mal blicken lassen können.«
    »Ich weiß, aber ich konnte nicht.« Er stockte.
    »Wegen der Kaninchen?«
    »Nein. Ich war ...« Er räusperte sich. »Ich war nicht flexibel, was meinen Aufenthaltsort betraf.«
    Er sah mich noch verlegener an. »Ich hatte Mist gebaut.«
    Es machte »klick« bei mir. »Du warst im Knast?«
    Ich konnte sehen, wie er innerlich aufjaulte, als er mich aussprechen hörte, was ihm offensichtlich sehr peinlich war.
    »Ja, fünf Jahre wegen Diebstahls und Betrugs. Und als ich wieder rauskam, dachte ich, ihr wollt sowieso nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    »Was machst du dann heute hier?«
    Er blickte zu Philipp von Bismarck. »Er wollte nach Mullendorf, ich arbeite für ihn, deshalb musste ich mit. Ich wusste, dass ich dich hier treffen würde. Und ich habe mich darauf gefreut.«
    Ich sah in seine dunkelbraunen Augen, die mich mit einem seltsamen Blick ansahen. War er es, der dem Fürsten von mir erzählt hatte? Aber warum? Und wieso war mir der Mann in meiner Vision erschienen und nicht mein Vater?
    »Wer ist er? Warum ist er hier?«
    Mein Vater drehte sich vorsichtig zu dem Mann um, dann wieder zu mir. »Er ist nicht hier, um euch Frieden, Wohlstand und Glück zu bringen«, sagte er mit gesenkter Stimme, so dass wirklich nur ich es hören konnte. »Er will die Macht, die in der Erde ruht.«
    »Welche Macht? Meinst du die alte Legende?«
    »Es ist nicht nur eine Legende. Es ist wahr. Vor tausenden von Jahren wurde in dieser Erde ein Dämon gefangen, der darauf wartet, ans Tageslicht zu kommen. Wer ihn befreit, dem schenkt er Macht über die Lebenden und die Toten. Und wer in seinem Banne stirbt, kehrt selbst als Dämon zurück. Wenn er das schafft, ist er der mächtigste Mann auf dem Erdball.« Er wurde noch leiser, ich musste mich zu ihm beugen, um ihn zu verstehen. »Sieh dich vor, Moona. Verschwinde von hier. Er weiß von dir, ich musste ihm von dir erzählen.«
    »Was weiß er? Was hast du ihm erzählt?«
    »Ist dir nicht etwas an dir aufgefallen in letzter Zeit?«
    Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. »Nein.«
    »Siehst du, träumst du oder hörst du Dinge, die nicht wirklich sind, aber irgendwie doch?«
    Mein Herz schlug plötzlich eine Spur schneller. Woher wusste er das?
    Mein Vater sah besorgt Philipp von Bismarck entgegen, der auf einmal zu uns geschlendert kam.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich panisch.
    »Hast du dich nicht gefragt, woher diese Gabe kommt? Aber hab keine Angst, du bist nicht allein damit«, antwortete er hastig. Danach wurde seine Stimme plötzlich wieder lauter. »Deine Mutter wird sich schon wieder beruhigen.«
    »Das wird sie auch«, rief auf einmal Isabelle
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