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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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uns, daß wir so gute Ordre hielten. Einer aus uns mußte den Henker agiren, welcher auch alsobalden dem Malefikanten die Hände auf den Rucken band. Hingegen tät sich eine junge Zigeunerin for dessen Weib aus, entlehnte von andern drei Kinder und kam damit auf den Platz geloffen. Sie bat um ihres Manns Leben und daß man ihre kleine Kinder bedenken wolle, stellte sich darneben so kläglich, als wann sie hätte verzweifeln wollen. Mein Mann aber wollte sie weder sehen noch hören, sondern ließ den Übeltäter hinaus gegen einen Wald führen, an ihm das Urteil exequiren zu lassen, eben als er vermeinte, der ganze Flecken hätte sich nunmehr versammlet, den armen Sünder henken zu sehen, wie sich dann auch zu solchem Ende fast alle Inwohner, jung und alt, Weib und Mann, Knecht und Mägd, Kind und Kegel mit uns hinaus begaben. Hingegen ließ gedachte junge Zigeunerin mit ihren dreien entlehnten Kindern nicht ab, zu heulen, zu schreien und zu bitten; und da man an den Wald und zu einem Baum kam, daran der Hennenmörder dem Ansehen nach geknüpft werden sollte, stellte sie sich so erbärmlich, daß erstlich die Baurenweiber und endlich die Bauren selbst anfingen for den Mistäter zu bitten, auch nicht aufhöreten, bis sich mein Mann erweichen ließ, dem armen Sünder ihrentwegen das Leben zu schenken.
    Indessen wir nun außerhalb dem Dorf diese Comödi agirten, mausten unsere Weiber im Flecken nach Wunsch, und weil sie nicht nur die Bratspieß und Fleischhäfen leereten, sondern auch hie und da namhafte Beuten aus den Wägen gefischt hatten, verließen sie den Flecken und kamen uns entgegen, sich nicht anders stellend, als wann sie ihre Männer zur Rebellion wider mich und meinen Mann verhetzten, um daß er einer kahlen Hennen halber einen so wackern Menschen hätte aufhenken lassen wollen, dardurch sein armes Weib zu einer verlassenen Wittib und drei unschuldige junge Kinder zu Waisen gemacht wären worden. Auf unsere Sprache aber sagten sie, daß sie gute Beuten erschnappt hätten, mit welchen sich bei Zeiten aus dem Staub zu machen sei, ehe die Bauren ihren Verlust innen würden. Darauf schrie ich den Unserigen zu, welche sich rebellisch stellen und, sich dem Flecken zu entfernen, in den Wald hinein ausreißen sollten; denen setzte mein Mann und was noch bei ihm war mit bloßem Degen nach, ja sie gaben auch Feuer drauf und jene hinwiederum, doch garnicht der Meinung, jemand zu treffen. Das Bauersvolk entsetzte sich vor der bevorstehenden Blutvergießung, wollte derowegen wieder nach Haus; wir aber verfolgten einander mit stetigem Schießen bis tief in Wald hinein, worin die Unsern alle Weg und Steg wußten. In Summa, wir marschierten die ganze Nacht, teilten am Morgen frühe nicht allein unsere Beuten, sondern sonderten uns auch selbsten von einander in geringere Gesellschaften, wordurch wir dann aller Gefahr und den Bauren mit unserer Beut entgangen sind.
    Mit diesen Leuten habe ich gleichsam alle Winkel Europä seithero unterschiedlichmal durchstrichen und sehr viel Schelmenstück und Diebsgriffe ersonnen, angestellt und ins Werk gerichtet, daß man ein ganz Ries Papier haben müßte, wann man solche alle mit einander beschreiben wollte. Ja ich glaube nicht, daß man genug damit hätte. Und eben dessentwegen habe ich mich mein Lebtag über nichts mehrers verwundert, als daß man uns in den Ländern geduldet, sintemal wir weder Gott noch den Menschen nichts nützen noch zu dienen begehren, sondern uns nur mit Lügen, Betriegen und Stehlen genähret, beides zu Schaden des Landmanns als der großen Herren selbst, denen wir manches Stück Wild verzehren.
    Ich muß aber hiervon schweigen, damit ich uns nicht selbst einen bösen Rauch mache, und vermeine nunmehr ohnedas, dem Simplicissimo zu ewigem Spott genugsam geoffenbart zu haben, von waserlei Haaren seine Beischläferin im Saurbrunnen gewesen, deren er sich vor aller Welt so herrlich gerühmet; ich glaube auch wohl, daß er an andern Orten mehr, wann er vermeint, er habe eines – schönen Frauenzimmers genossen, mit dergleichen französischen Huren oder wohl gar mit Gabelreuterinnen betrogen und also gar des Teufels Schwager worden sei.

Zugab des Autors
    Darum denn nun, ihr züchtigen Jüngling, ihr ehrlichen Wittwer, und auch ihr verehlichten Männer, die ihr euch noch bishero vor diesen gefährlichen Chimäris vorgesehen, denen schrecklichen Medusen entgangen, die Ohren vor diesen verfluchten Sirenen verstopft und diesen unergründlichen und bodenlosen Beliden
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