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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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wird, mit Verlust der Seligkeit zusammen geraspelt, so sehr haßte, als ich meinen Nebenmenschen neide, und meinen Nebenmenschen so hoch liebte als mein Geld, so möchte vielleicht die himmlische Gabe der Reue auch folgen. Ich weiß die Art der unterschiedlichen Alter eines jeden Weibsbilds und bestätige mit meinem Exempel, daß alte Hund schwerlich bändig zu machen. Die Cholera hat sich mit den Jahren bei mir vermehrt, und ich kann die Gall nicht herausnehmen, solche, wie der Metzger einen Säu-Magen, umzukehren und auszuputzen. Wie wollte ich dann dem Zorn widerstehen mögen? Wer will mir dies überhäufte Phlegma evacuirn und mich also von der Trägheit curiren? Wer benimmt mir die melancholische Feuchtigkeit und mit derselbigen die Neigung zum Neid? Wer wird mich überreden können, die Ducaten zu hassen, da ich doch aus langer Erfahrung weiß, daß sie aus Nöten erretten und der einzige Trost meines Alters sein können? Damal, damal, ihr Herrn Geistliche, wars Zeit, mich auf denjenigen Weg zu weisen, den ich euerm Rat nach jetzt erst antreten soll, als ich noch in der Blüt meiner Jugend und in dem Stand meiner Unschuld lebte; denn obgleich damals die gefährliche Zeit der kützelhaften Anfechtung anging, so wäre mir doch leichter gewesen, dem sanguinischen Antrieb, als jetzunter dem gewaltsamen Anlauf der übrigen drei ärgsten Feuchtigkeiten zu gleich zu widerstehen. Darum gehet hin zu solcher Jugend deren Herzen noch nicht, wie der Courasche, mit andern Bildnissen befleckt ist, und lehret, ermahnet, bittet, ja beschwöret sie, daß sie es aus Unbesonnenheit nimmermehr so weit soll kommen lassen, als die arme Courasche getan!
    Aber höre, Courasche, wann du noch nicht im Sinn hast, dich zu bekehren, warum willst du dann deinen Lebenslauf beichtweis erzählen und aller Welt deine Laster offenbarn?
    Das tue ich dem Simplicissimo zu Trutz, weil ich mich anderer Gestalt nicht an ihm rächen kann; denn nachdem dieser schlimme Vocativus mich im Saurbrunnen geschwängert (scilicet) und hernach durch einen spöttlichen Possen von sich geschafft, gehet er erst hin und ruft meine und seine eigne Schand vermittelst seiner schönen Lebensbeschreibung vor aller Welt aus. Aber ich will ihm jetzunter hingegen erzählen, mit was für einem ehrbarn Zobelchen er zu schaffen gehabt, damit er wisse, wessen er sich gerühmt, und vielleicht wünschet, daß er von unserer Histori allerdings still geschwiegen hätte; woraus aber die ganze ehrbare Welt abzunehmen, daß gemeiniglich Gaul als Gurr, Hurn und Buben eins Gelichters und keins um ein Haar besser als das ander sei.
    Gleich und gleich gesellt sich gern, sprach der Teufel zum Kohler; und die Sünden und Sünder werden wiederum gemeiniglich durch Sünden und Sünder abgestraft.

Das zweite Kapitel
    Jungfrau Libuschka (hernachmals genannte Courasche)
kommt in den Krieg, nennet sich Janco
und muß in demselben
eine Zeitlang einen Kammerdiener abgeben;
dabei wird vermeldet, wie sie sich verhalten
und was sich Verwunderliches ferner mit ihr zugetragen.
    Diejenige, so da wissen, wie die slavonischen Völker ihre leibeignen Untertanen tractirn, dörften wohl vermeinen, ich wäre von einem böhmischen Edelmann und eines Bauren Tochter erzeugt und geboren worden.
    Wissen und Meinen ist aber zweierlei; ich vermeine auch viel Dings und weiß es doch nicht. Wenn ich sagte, ich hätte gewußt, wer meine Eltern gewesen, so würde ich lügen, und solches wäre nicht das erstemal. Dieses aber weiß ich wohl, daß ich zu Bragoditz zärtlich genug auferzogen, zur Schulen gehalten und mehr als ein geringe Tochter zum Nähen, Stricken, Sticken und anderer dergleichen Frauenzimmerarbeit angeführt worden bin. Das Kostgeld kam fleißig von meinem Vatter; ich wußte aber drum nicht woher, und mein Mutter schickte manchen Gruß, mit der ich gleichwohl mein Tage kein Wort geredet. Als der Baierfürst Maximilian mit dem Buquoy nach Böhmen zog, den neuen König wiederum zu verjagen, da war ich eben ein fürwitzigs Ding von dreizehen Jahren, welches anfing nachzudichten, wo ich doch herkommen sein möchte; und solches war mein größtes Anliegen, weil ich nicht fragen dorfte und von mir selbst nichts ergründen konnte. Ich wurde vor der Gemeinschaft der Leut verwahrt wie ein schönes Gemäld vorm Staub. Meine Kostfrau behielt mich immer in den Augen, und weil ich mit andern Töchtern meines Alters keine Gespielschaft machen dorfte, siehe, so vermehrten sich meine Grillen und Nauben, die der Fürwitz
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