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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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fuchsschwänzen, seine Kleidungen so sauber zu halten, sein weiß leinen Zeug so nett zu accomodirn und ihn in allem so wohl zu pflegen, daß er mich für den Kern eines guten Kammerdieners halten mußte. Und weil ich auch eine große Lust zum Gewehr hatte, versah ich dasselbe dergestalten, daß sich Herr und Knechte darauf verlassen durften; und dannenhero erhielte ich bald von ihm, daß er mir einen Degen schenkte und mich mit einer Maultasche wehrhaft machte. Über das, daß ich mich hierin so frisch hielt, mußte sich auch jedermann über mich verwundern und für die Anzeigung eines unvergleichlichen Verstands halten, daß ich so bald teutsch reden lernete, weil niemand wußte, daß ich bereits von Jugend auf lernen müssen. Darneben befliß ich mich aufs höchste, alle meine weiblichen Sitten auszumustern und hingegen männliche anzunehmen; ich lernte mit Fleiß fluchen wie ein anderer Soldat und darneben saufen wie ein Bürstenbinder, soff Brüderschaft mit denen, die ich vermeinte, daß sie meinesgleichen wären, und wann ich etwas zu beteuern hatte, so geschah es bei Dieb- und Schelmenschelten, damit ja niemand merken sollte, worum ich in meiner Geburt zu kurz kommen oder was ich sonst nicht mitgebracht.

Das dritte Kapitel
    Janco vertauschet
sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister
um den Namen Courasche.
    Mein Rittmeister war, wie hieroben gemeldet, ein schöner junger Cavalier, ein guter Reuter, ein guter Fechter, ein guter Tänzer, ein reuterischer Soldat und überaus sehr auf das Jagen verpicht; sonderlich mit Windhunden die Hasen zu hetzen, was sein größter Spaß. Er hatte so viel Bart ums Maul als ich, und wann er Frauenzimmerkleider angehabt hätte, so hätte ihn der Tausendste für eine schöne Jungfrau gehalten. Aber wo komm ich hin? Ich muß meine Histori erzählen. Als Budweis und Bragoditz über, gingen beide Armeen vor Pilsen, welches sich zwar tapfer wehrete, aber hernach auch mit jämmerlichem Würgen und Aufhenken seine Straf empfing. Von dannen ruckten sie auf Rakonitz, allwo es die ersten Stöß im Feld setzte, die ich sah. Und damals wünschte ich ein Mann zu sein, um dem Krieg meine Tage nachzuhängen; denn es ging so lustig her, daß mir das Herz im Leib lachte. Und solche Begierde vermehrte mir die Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag, weil die Unseren einen großen Sieg erhielten und wenig Volk einbüßten. Damals machte mein Rittmeister treffliche Beuten; ich aber ließ mich nicht wie ein Page oder Kämmerling, vielweniger als ein Mägdchen, sondern wie ein Soldat gebrauchen, der an den Feind zu gehen geschworen und darvon seine Besoldung hat.
    Nach diesem Treffen marschiert der Herzog von Baiern nach Österreich, der sächsische Churfürst in die Lausnitz, und unser General Buquoy in Mähren, des Kaisers Rebellen wiederum in Gehorsam zu bringen. Und indem sich dieser letztere an seiner bei Rakonitz empfangenen Beschädigung curiren ließ, siehe, da bekam ich mitten in derselbigen Ruhe, so wir seinethalben genossen, eine Wunde in mein Herz, welche mir meines Rittmeisters Liebwürdigkeit hinein druckte; denn ich betrachtete nur diejenigen Qualitäten, die ich oben von ihm erzählet, und achtete gar nicht, daß er weder lesen noch schreiben konnte und im übrigen so ein roher Mensch war, daß ich bei meiner Treu schwören kann, ich hätte ihn niemalen hören oder sehen beten. Und wann ihn gleich der weise König Alphonsus selbst eine schöne Bestia genannt hätte, so wäre mein Liebesfeur, das ich hegte, doch nicht darvon verloschen, welches ich aber heimlich zu halten gedachte, weil mirs meine wenig übrighabende jungfräuliche Schamhaftigkeit also riet. Es geschahe aber mit solcher Ungeduld, daß ich, unangesehen meiner Jugend, die noch keines Manns wert war, mir oft wünschte, derjenigen Stelle zu vertreten, die ich und andere Leute ihm zu Zeiten zukuppelten. So hemmte anfänglich auch nicht wenig den ungestümen und gefährlichen Ausbruch meiner Liebe, daß mein Liebster von einem edlen und namhaften Geschlecht geboren war, von dem ich mir einbilden mußte, daß er keine, die ihre Eltern nicht kennete, ehelichen würde; und seine Mätresse zu sein, konnte ich mich nicht entschließen, weil ich täglich bei der Armee so viel Huren sah preismachen.
    Ob nun gleich dieser Krieg und Streit, den ich mit mir selber führte, mich greulich quälte, so war ich doch geil und ausgelassen darbei, ja von einer solchen Natur, daß mir weder mein innerliches Anliegen noch
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