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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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erstgemeldtem Treffen kam ich vermittelst meines guten Maulesels darvon, nachdem ich zuvor meine Zelt und schlechteste Bagage hinweg geworfen, retterirte mich auch mit dem Rest der übrig gebliebenen Armee, so wohl als der Türenne selbst bis nach Cassel; und demnach mein Mann totgeblieben und ich niemand mehr hatte, zu dem ich mich hätte gesellen mögen oder der sich meiner angenommen, nahm ich endlich meine Zuflucht zu den Zigeunern, die sich von der schwedischen Hauptarmada bei den Königsmarkischen Völkern befanden, welche sich mit uns bei Wartburg conjungirt. Und indem ich bei ihnen einen Leutenant antraf, der meiner guten Qualitäten und trefflichen Hand zum Stehlen, wie auch etwas Geldes hinter mir wahrnahm samt andern Tugenden, deren sich diese Art Leut gebrauchen, siehe, so wurde ich gleich sein Weib und hatte diesen Vorteil, daß ich weder Oleum talci noch ander Schmiersel mehr bedorfte, mich weiß und schön zu machen, weil sowohl mein Stand als mein Mann diejenige Couleur von mir erforderten, die man des Teufels Leibfarb nennet. Derowegen fing ich an, mich mit Gänsschmalz Läussalbe und andern haarfärbenden Unguenten also fleißig zu beschmieren, daß ich in kurzer Zeit so höllrieglerisch aussah, als wann ich mitten in Ägypten geboren worden wäre. Ich mußte oft selbst meiner lachen und mich über meine vielfältige Veränderung verwundern. Nichtsdestoweniger schickte sich das Zigeunerleben so wohl zu meinem Humor, daß ich es auch mit keiner Obristin vertauscht haben wollte. Ich lernete in kurzer Zeit von einer alten ägyptischen Großmutter wahrsagen; lügen und stehlen aber kunnte ich zuvor, außer daß ich der Zigeuner gewöhnliche Handgriff noch nicht wußte. Aber was darfs viel Wesens? Ich wurde in Kürze so perfekt, daß ich auch for eine Generalin aller Zigeunerinnen hätte passiren mögen. Gleichwohl aber war ich so schlau nicht, daß es mir überall ohne Gefahr, ja ohne Stöße abgegangen wäre, wiewohl ich mehr einheimste und meinem Mann zu verschlemmen zubrachte, als sonst meiner zehne. Höret, wie mirs einmals so übel gelungen!
    Wir lagen im Vorbeimarschiren über Nacht und ein Tag ohnweit von einer Freundsstadt, da jedermann hinein dorfte, um seinen Pfenning einzukaufen, was er wollte. Ich machte mich auch hin, mehr einzunehmen und zu stehlen, als Geld auszugeben oder etwas zu kaufen, weil ich sonst nichts zu erkaufen gedachte, als was ich mit fünf Fingern oder sonst einem künstlichen Griff zu erhandeln verhoffte. Ich war nicht weit die Stadt hinein passirt, als mir eine Madamoiselle eine Magd zuschickte und mir sagen ließ, ich solle kommen, ihrer Fräulin wahrzusagen; und von diesem Boten selbsten vernahm ich gar von weitem und gleichsam über hundert Meilen her, daß ihrer Fräulin Liebhaber rebellisch worden und sich an eine andere gehenkt. Solches machte ich mir nun trefflich zu Nutz, denn da ich zu der Damen kam, traf ich mit meiner Wahrsagung so nett zu, daß sie alle Calendermacherei, ja der elenden Madamoisellen Meinung nach alle Propheten samt ihren Prophezeiungen übertraf. Sie klagte mir endlich ihre Not und begehrte zu vernehmen, ob ich kein Mittel wisse, den variablen Liebhaber zu bannen und wieder in das gerechte Gleis zu bringen.
    »Freilich, tapfere Dame,« sagte ich, »er muß wieder umkehren und sich zu euerm Gehorsam einstellen, und sollte er gleich einen Harnisch anhaben wie der große Goliath.« Nichts Angenehmers hätte diese verliebte Tröpfin hören mögen als eben dies und begehrte auch nichts anders, als daß meine Künst alsobald ins Werk gesetzt würden. Ich sagte, wir müssen allein sein, und es müsse alles unbeschrieen zugehen.
    Darauf wurden ihr Mägd abgeschafft und ihnen das Stillschweigen auferlegt; ich aber ging mit der Madamoisellen in ihr Schlafkammer. Ich begehrte von ihr einen Trauerschleier, den sie gebraucht, als sie um ihren Vatter Leid getragen, item zwei Ohrgehäng, ein köstlich Halsgehäng, das sie eben anhatte, ihren Gürtel und liebsten Ring. Als ich diese Kleinodien hatte, wickelt ich sie zusammen in den Schleier, machte etliche Knöpf daran, murmelte unterschiedliche närrische Wörter darzu und legte alles zusammen in der Verliebten Bette. Hernach sagte ich: »Wir müssen mit einander in Keller.«
    Da wir hinkamen, überredet ich sie, daß sie sich auszöge bis aufs Hemd, und unterdessen solches geschah, machte ich etliche wunderbare Characteres an den Boden eines großen Fasses voll Wein, zog endlich den Zapfen heraus und befahl
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