Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava
Autoren: Ulrich Magin
Vom Netzwerk:
der Comer See – dennoch weisen seine fast kreisrunde Form und die ihn sanft und grün umringenden Hügel eine ganz eigene Magie auf, und die malerisch an seinem Ufer gelegene mittelalterliche Benediktinerabtei zieht wie ein Magnet jeden Tag zahllose Ausflugstouristen an.
    Vor rund eintausend Jahren wurde das Kloster gegründet, von Mönchen, die hier Abgeschiedenheit und Ruhe suchten. Einsamkeit und Stille herrschen noch heute, vor allem spät am Abend und früh am Morgen – kein Dorf säumt die Ufer, und am Rand des Sees führt nur ein Fußweg, keine Straße entlang.
    Eigentlich der perfekte Ort, um gestresste Manager zu entspannen – und doch: Dieses stille Wasser trog tatsächlich, und in der Tiefe lauerte ein Ungeheuer, gefährlicher als eine Atombombe, unberechenbar wie ein Steppenbrand.
    Genauer betrachtet: zwei Ungeheuer. Von beiden ahnten die Menschen nichts, die verträumt den Uferweg entlang spazierten, das romanische Gebäude besichtigten oder sich darüber aufregten, dass es von Amts wegen verboten wurde, auf dem See Tretboot zu fahren.
    Gott würfelt nicht, hatte Albert Einstein einmal so treffend bemerkt. Aber er spielt gern mit Feuer: Der Erdboden,auf dem wir stehen, ist nur eine dünne Kruste, die zerbrechlich auf einem glutflüssigen Kern schwimmt. Und an manchen Stellen wallt das geschmolzene Gestein nach oben, mit verheerenden Folgen.
    Einer dieser Orte war der Laacher See.
    Seit zehn Jahrtausenden füllte Wasser den Trichter, den ein explodierter Berg hinterlassen hatte. Seit zehn Jahrtausenden sammelte sich Sediment im See.
    Sand, den der Regen in den See schwemmte, Asche von Waldbränden, Blüten, Blätter und Zweige rieselten zu Boden. Wenn im Frühling das Eis schmolz, das im Winter die Oberfläche des Sees überzog, fiel ein Regen aus feinem Staub zum Seegrund herab. Mal verlor ein Mönch seinen Angelhaken, mal ein Besucher einen Knopf. Der See bewahrte alles auf.
    Der Regen aus Staub, Sand, Ton und organischem Material bildete feine Schichten, die sich wie die Ringe eines Baumes eine nach der anderen auf dem Seegrund ablagerten. Anhand der Blütenpollen zeigten sie selbst die Jahreszeiten an, in denen sie entstanden waren. Den Boden des Sees stellte so eine im Verlauf von Jahrtausenden gewachsene unebene, graue und einförmige Fläche dar.
    Dennoch war diese stille, geduldige, scheinbar unerschütterliche Beständigkeit und Einförmigkeit nur eine Seite der Medaille.
    Denn aus einer großen, mit zähflüssigem, heißem Gestein gefüllten Kammer, keine vierzig Kilometer unter der Nordosteifel, drückte sich Magma langsam nach oben, quälte sich in Schründe und Klüfte, fraß das harte Gestein weg und nagte sich immer weiter in Richtung Erdoberfläche.
    Fünf Meter unter dem Seespiegel erzitterte der Hang, winzige Gasblasen quollen aus dem Sand und blubberten nach oben. Ein kleiner Kiesel, gerade so groß wie das vordere Glied eines Daumens, löste sich vom Untergrund und rollte dieSchräge hinab, riss einige welke Blätter mit sich, erzeugte ein feines Sandrieseln, eine Lawine im Miniaturformat, die langsam, aber stetig den flachen Abhang hinunter in die Tiefe floss, dabei noch mehr Sand und noch mehr Kiesel, schließlich auch handtellergroße Steine mit sich schleifte. Schlamm, Lehm und Ton verteilten sich wie eine gewaltige, träge Wolke.
    Unten am Boden setzte sich diese Wolke – der Sand in Minuten, der feine Schlamm erst nach Stunden – und bedeckte den Grund mit einer mehrere Zentimeter starken Schicht.
    Oben, dort, wo die Lawine ihren Ursprung hatte, erzitterte der Schlamm wie ein Wackelpudding, dann platzte er auf, und aus dem Riss stiegen weitere Gasblasen auf. Wasser, das vom heißen Magma zum Kochen gebracht worden war, wellte aus dem Grund heraus, schließlich wühlte es sich aus einem trichterförmigen Loch, sickerte allmählich in den See und verteilte sich dort.
    All das war nur ein weiteres Anzeichen für den Hot Spot, eine besonders heiße Stelle im flüssigen Magmakern der Erde. In Jahrmillionen schieben sich die Kontinentalplatten auf ihrem Weg über den Globus über solche Hot Spots. Diese erhitzen wie ein Bunsenbrenner das Gestein, das über sie gewälzt wird, bis es so dünn ist, dass sich das Erdinnere nach außen stülpt und ein Vulkan ausbricht.
    Dieser Hot Spot hatte bereits eine lange Spur der Verwüstung hinter sich gelassen, von den Karpaten über das Riesen- und das Erzgebirge, das Fichtelgebirge, die Rhön und den Vogelsberg bis zum Siebengebirge am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher