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Die Lava

Die Lava

Titel: Die Lava
Autoren: Ulrich Magin
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seichte Wasser, hievten die Bombe aus der Uferzone, überschütteten sie mit Formaldehyd und gossen sie in Beton.
    Der zwei mal zwei Meter messende Kubus aus Beton wurde dann auf einen Transporter verladen. Er setzte sich rumpelnd in Bewegung und verließ vorsichtig den Parkplatz, um auf die gesperrte Straße abzubiegen, Richtung Autobahn.
    »Somit geht die Welt wenigstens nicht an einer britischen Bakterie zugrunde«, atmete Joe erleichtert auf. Dann zog er die Schultern hoch: »Was immer das wert war …« Er sah zuFranziska: »Jetzt musst du nur noch einen Korken finden, der zweitausend Meter lang und tausendzweihundert Meter breit ist und ihn in die Krateröffnung stopfen, damit der Vulkan nicht ausbricht.«
    Franziska lächelte gequält.
    Joe blickte dem Lastwagen, der die Bomben zur Entsorgung nach Koblenz brachte, in Gedanken versunken nach, bis er hinter den üppig grünen Bäumen, die die Straße säumten, nicht mehr zu sehen war. Polizeiautos fuhren vor und hinter dem Truck, um ihn sicher ans Ziel zu leiten. Nun war es also geschafft. Zumindest hier, in diesem Fall. Kaum auszudenken, was vielleicht gerade an irgendeiner anderen Ecke der Welt geschah, welches Labor eine aufsehenerregende Erfindung machte, die Militärs oder Diktatoren zum Lächeln brachte.
    Joe drehte sich und betrachtete den Laacher See, der still und unverändert vor ihm lag – nur jetzt ohne Geheimnis.
    Auf dem Parkplatz stoben glühende Funken in alle Richtungen. Dort hantierten Techniker an dem Wrack der Halifax und zertrennten es mit Schneidbrennern und Sägen in Einzelteile. Die beiden Flügel lagen bereits auf eigenen Gestellen, daneben wartete schon ein Tieflaster, der die Reste nach England in das Museum bringen sollte. Eine speziell ausgewählte Gruppe von Journalisten umlagerte die Männer. Ihr Leiter, ein angesehener Aviations-Historiker, gab Interviews. Spätestens wenn die Abendnachrichten kamen, war die Welt wieder in Ordnung. In ein oder zwei Jahren schon würden Besucher die restaurierte Handly Page Halifax besuchen, in ihr umhergehen, sich vielleicht bücken und in den Bombenschacht blicken. Sie würden nie erfahren, welchen Zwecken der Bomber tatsächlich gedient hatte.
    Dann wandte Joe sich um und schritt langsam zu Franziska hinüber. Ob Reginald MacGinnis etwas dabei empfand, dass er noch am Leben war, dass sich die Welt weiterdrehte,mit Sommersonne und Vogelgezwitscher, mit Kinderschreien und Kriegen und Folter? Oder saß er in seinem Gefängnis und erfreute sich an nichts mehr?
    Joe kam lächelnd auf Franziska zu und küsste sie. Es fühlte sich gut an, sie zu spüren. Die Welt fühlte sich gut an. Es gab eine Zeit, sich zu sorgen, und eine Zeit, die Sorgen über Bord zu werfen.
    »Ich habe eine Überraschung für dich!«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Es begann zu nieseln. Franziska sah nach Osten und bemerkte einen riesigen Regenbogen, der sich neben einer flachen Mulde im Kraterwall spannte. Gegenüber verlief die die Straße hin zur Autobahn.
    »Ist es nicht wunderschön?«, fragte sie.
    Joe nickte.
    »Und was ist nun meine Überraschung?«
    Ein Donnern wie von zehntausend Gewittern erklang. Die Druckwelle zerbarst die Scheiben der Wagen, die noch auf dem Parkplatz standen, am Kloster läuteten die Glocken. Die Alarmanlagen der Autos begannen zu schrillen. Joe und Franziska wurden zu Boden geworfen. Der Grund zitterte wie ein verängstigtes Tier.
    Der See vibrierte, Wellen schlugen laut an das Ufer. Aus den Augenwinkeln sah Joe einen dünnen schwarzen Faden, der himmelwärts stieg und sich rasch in eine dicke schwarze Säule aus Rauch und Qualm verwandelte, die am südlichen Kraterrand emporquoll, dort, wo sich die Autobahn befand. Blitze flackerten hektisch wie Kerzenflammen im Wind in dem Qualm auf, erhellten ihn in Schwefeltönen.
    Der Truck mit der Bombe!, schoss es Joe durch den Kopf. Nicht jetzt! Nicht so kurz vor dem Ziel!
    Nicht, dass ihm etwas daran lag, aber schon aus alter Gewohnheit erkundete er seine neue Umgebung: zwei malzwei Meter groß, hohe, geweißte Wände, ein Metallklo ohne Deckel, eine Pritsche, ein leeres Bord oder Bücherbrett. Oben ein kleines Fenster, vergittert.
    Ein schöner Raum, befand er, karg, aber funktionell. Natürlich hatte MacGinnis nicht viel mehr erwartet, Gefängniszellen konnten schwerlich aussehen wie eine Suite in einem Wellness-Hotel.
    Er wird unter den großen Völkern richten und viele Heiden strafen in fernen Ländern, so schrieb der Prophet Micha. Es wird kein Volk
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