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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman
Autoren: PeP eBooks
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mir eine Scheibe mit Schmalz und Wurst, das bringt die Lebensgeister zurück.«
    Jeanne reichte ihm das Gewünschte. »Ute bringt den Wein.«
    Nickend machte Thomas eine einladende Geste, doch Endres zögerte. »Dein Husten hört sich böse an, Thomas.«
    »Irgendwann klopft der Schnitter bei jedem an die Tür.« Thomas Froehner grinste. »Aber ich habe nicht vor, ihm meine so bald zu öffnen. Und solange mir noch Zeit verbleibt, will ich sie nutzen. Jeanne, dein Vater ist ein begabter Instrumentenbauer. Der beste, dem ich je begegnet bin, und ich habe viele gute Leute der Zunft kennengelernt - in Dresden, Leipzig und Böhmen.«
    Endres räusperte sich, doch Thomas machte eine Handbewegung, und ihr Vater entgegnete nichts, sondern griff nach der Wurst. Jeanne tat es ihm gleich und genoss das Mahl, während sie aufmerksam lauschte, weil ihr zum ersten Mal jemand von Endres’ Zeit in Sachsen berichtete.
    Auch Thomas schien es zu genießen, denn er schloss die Augen und versank in der Vergangenheit: »Ich kam von Böhmen, hatte den Wagen voll mit Hölzern, Cistern für die Bergleute und einer Theorbe, die ihresgleichen suchte. Drüben in Böhmen haben sie exzellente Handwerker, nein, Künstler! Deren Instrumente singen von ganz allein. Nun, wir wollten einen Weg hinauf ins Gebirge einschlagen, da kamen wir an einer heruntergebrannten Hütte vorüber. Es müssen arme Waldbauern gewesen sein, die von Gesindel überfallen worden waren. Nur ein Junge hatte überlebt: Endres war vom Körper seiner toten Mutter geschützt
worden. Kurzum, ich nahm ihn mit nach Hause, wo er sich gut machte und mir in der Werkstatt nicht mehr von der Seite wich. Er war wie mein Schatten und so gelehrig, wie ich mir meine Söhne gewünscht hätte.« Thomas machte eine Pause, denn Ute brachte den Gewürzwein. Verschämt zog sie den Ärmel wieder herunter, der beim Abstellen des Kruges die dunkel unterlaufene Verletzung entblößte.
    »Afra?«, fragte Thomas mit gerunzelter Stirn. Ute senkte den Blick und rannte hinaus.
    »Nun«, fuhr er fort, »Agathe war nicht begeistert von meinem böhmischen Mitbringsel und nannte Endres nur ein weiteres Maul, das es zu stopfen gelte. Dabei haben wir nie Hunger leiden müssen. Unsere Instrumente sind weit über die Grenzen Freibergs hinaus bekannt. Hin und wieder kommt jemand aus Dresden vom Hof und bestellt eine Laute oder Theorbe, und an die Bergarbeiter haben wir schon Dutzende Cistern verkauft. Und nicht zuletzt gibt es noch die Adelsfamilien, deren Töchter gern die Laute zupfen.« Thomas nippte an seinem Becher. »Jeanne, hol deine Laute und spiel uns etwas Französisches.«
    Während Jeanne ihr Instrument stimmte, fuhr Thomas fort: »Ich schäme mich fast, es zu sagen, aber ich habe deinen Vater vom ersten Tag an, den er in unserem Haus war, mehr geliebt als meine Söhne.«
    »Nicht, Thomas, sag das nicht«, murmelte Endres.
    »Aber wenn es doch die Wahrheit ist. Ich bin alt, und meine Tage sind gezählt. Es lastet auf meiner Seele. Und ich danke Gott, dass er dich noch einmal zu mir geführt hat. Du hast das Talent, das ich bei meinen Söhnen vergeblich suchte. Und sie haben es von Anfang an gespürt. Ulmann hat in dir sofort den Konkurrenten gesehen. Ich habe keinen vorgezogen, das weiß der Herr, aber es hat an ihnen genagt, dass du alles besser vollbracht hast.« Mit einem tiefen Seufzer schloss Thomas die Augen und lauschte den schönen Tönen, die Jeanne ihrer Laute entlockte.

2
    Gerwin saß auf der Bank vor dem offenen Feuer und zupfte die trockenen Blätter von Zweigen. Die kleinen, wohlriechenden Blätter sammelte er in einer Schale, aus der sich Hippolyt diejenigen heraussuchte, die er für seine Tinktur brauchte.
    »Hast du es gehört, Hippolyt? Er beschimpft mich vor Fremden auf offener Straße. Was habe ich getan, dass Gott mich mit diesem Vater gestraft hat?«
    »Das ist gotteslästerlich. Als guter Christ solltest du dein Schicksal annehmen.« Hippolyt lächelte schief. Sein Schädel war kahl, die Brauen dafür umso buschiger. Viele Jahre unter brennender Sonne hatten seine Gesichtshaut gegerbt und tiefe Falten um Nase und Mund eingegraben. Intelligente hellblaue Augen straften sein Alter Lügen.
    »Das sagt jemand, der nicht an Gott glaubt.«
    »Nicht so laut. Wir sind zwar in protestantischen Landen, aber das Leugnen Gottes vergelten die uns mit dem selbigen heißen Feuer wie die Papisten. Vergiss das nie, mein Freund!«
    »Dich schätzen die Leute doch. Wer sollte dir krumm
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