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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes
Autoren: Reginald Hill
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Überdauern Ihrer Ehe anbelangt, könnte sie die Ausnahme sein, die die Regel bestätigt. Gut gemacht!
    Aber wie ich bereits sagte, hinter diesen Mauern kann noch nicht einmal ein netter, besorgter Polizist wie Sie viel ausrichten, um die Rechte eines jungen und verletzlichen Häftlings wie mich zu schützen.
    Selbst wenn ich daher geplant hätte, Rache zu nehmen, hätte ich nicht die Zeit dazu gefunden.
    Ich war allzu sehr damit beschäftigt, mich um mein eigenes Überleben zu kümmern.
    Ich brauchte Hilfe, denn eines war mir sehr schnell klar:
    Im Gefängnis kann man allein nicht überleben.
    Wie Sie sehr wohl wissen, bin ich nicht ganz schutzlos. Meine Zunge ist meine wichtigste Waffe, und lässt man mir genügend Raum, kann ich mich misslichen Lagen meist hurtig entziehen.
    Doch biegt dir ein widerlicher Häftling die Arme auf den Rücken, während dir ein zweiter seinen Schwanz in den Mund steckt, erweist sich eine gewisse Zungenfertigkeit als eher kontraproduktiv.
    Das war mein mutmaßliches Schicksal, falls ich ins Syke geschickt werden sollte, wie es mir ein Kerl, der mit mir in Untersuchungshaft saß, genüsslich ausmalte. Ein gut aussehender, blonder, blauäugiger Junge von schlanker Gestalt wäre dort sehr willkommen, versicherte er mir und fügte mit bitterem Lachen hinzu, dass er selbst einst ein gut aussehender, blonder, blauäugiger Junge gewesen sei.
    Es fiel mir schwer, das zu glauben, als ich sein vernarbtes, hohlwangiges Gesicht mit der gebrochenen Nase und den zerklüfteten Zahnreihen betrachtete. Etwas in seiner Stimme aber verlieh seinen Worten eine gewisse Überzeugungskraft. Dieselbe besaß auch jene seines Richters, denn das nächste Mal begegneten wir uns, als wir gemeinsam im Chapel Syke eingeliefert wurden.
    Er gehörte dort zu den erfahrenen Insassen, und obwohl ich schnell herausfand, dass er in der Hackordnung viel zu weit unten stand, um als Beschützer in Betracht zu kommen, quetschte ich, wenn wir uns an die den Neuankömmlingen zugeteilte Aufgabe des Scheißhausputzens machten, alles aus ihm heraus, was er über den Laden wusste.
    Der Obermacker war ein zu zehn Jahren verurteilter Insasse namens Polchard, Vorname Matthew, von seinen Kumpel nur Matt genannt. Er machte äußerlich nicht viel her, war spindeldürr, glatzköpfig und so weiß im Gesicht, dass man glaubte, man könne den Schädelknochen unter der Haut erkennen. Sein Status aber zeigte sich darin, dass er während der »Freizeit« im überfüllten »Gemeinschaftsraum« immer einen Tisch für sich hatte. Dort saß er dann, brütete über einem Schachbrett (Matt: kapiert?) und studierte ein Büchlein, in dem er sich gelegentlich etwas notierte, bevor er den nächsten Zug ausführte. Hin und wieder brachte ihm jemand eine Tasse Tee. Wollte man mit ihm reden, stellte man sich geduldig einige Schritte vom Tisch entfernt auf, bis er sich dazu herabließ, einen wahrzunehmen. Und wenn, was sehr selten vorkam, man etwas sagte, was sein Interesse weckte, wurde man dazu eingeladen, einen Stuhl heranzuziehen und sich zu setzen.
    Polchard selbst hatte mit Sex nicht viel am Hut, unterrichtete mich mein »Freund«, seine Statthalter allerdings hielten immer nach neuen Talenten Ausschau, und wenn er ihnen sein Einverständnis signalisierte, würde mir nichts anderes übrig bleiben, als meine Zehen zu umklammern und an Gott und Vaterland zu denken.
    Kurzfristig allerdings, fuhr er fort, hätte ich mehr von einem Freiberufler wie Brillo Bright zu befürchten. Sie sind ihm und seinem Zwillingsbruder Dendo vielleicht schon mal begegnet. Weiß Gott, woher sie ihre Namen hatten, allerdings habe ich gehört, dass Brillo seinen bekam, nachdem er einige Zeit in einer Gummizelle verbracht hatte (Brillo-Seifenkissen, okay?). Irgendwann hatte Brillo beschlossen, dass es der Schönheit seines Antlitzes sehr zugute komme, wenn er sich auf seine Plätte und buschigen Brauen einen Adler mit ausgebreiteten Schwingen tätowieren lasse, dessen Klauen sich um die Augenhöhlen legten. Wahrscheinlich hatte er damit Recht. Was sich dadurch auf jeden Fall verbesserte, war die Wahrscheinlichkeit, erkannt zu werden, wenn er seinem auserkorenen Beruf des bewaffneten Raubüberfalls nachging. Dadurch lässt sich vermutlich erklären, warum er die Hälfte seiner etwa dreißig Jahre im Gefängnis verbrachte. Verglichen mit ihm, und nur verglichen mit ihm, war sein Bruder Dendo ein Intellektueller, ansonsten eher ein unberechenbarer hinterhältiger Schläger. Die
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