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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes
Autoren: Reginald Hill
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residiere ich nun im Luxus der Quästoren-Wohnung. Und für den Fall, dass Sie meinen, ich müsse dort eingebrochen sein, lege ich das Programm der Jahreskonferenz der Romantic and Gothic Studies Association bei (abgekürzt RAGS !). Auf der Liste der Teilnehmer findet sich auch mein Name. Und wenn Sie unter Samstag, neun Uhr, nachsehen, werden Sie ihn erneut finden. Plötzlich habe ich eine Zukunft, ich habe Freunde; aus der Verzweiflung heraus habe ich den Weg zurück zur Hoffnung gefunden, und es sieht so aus, als steuerte ich trotz allem doch nicht auf die kalten Wasser des Lake Disappointment zu!
    Wie es der Zufall wollte, teilte ich diesen kleinen makabren Scherz einer meiner neuen Freunde mit, Linda Lupin, der Abgeordneten des Europäischen Parlaments, als sie mich gerade mit einem weiteren meiner jetzigen Freunde bekannt machte, Frère Jacques, dem Begründer der Third-Thought-Bewegung.
    Er kam mir nämlich in den Sinn, als wir auf den Ländereien der Abbaye du Saint Graal standen, des Cornelianischen Klosters, als dessen hoch angesehenes Mitglied Jacques sich rühmen darf. Einzig durch einen mäandrierenden, von Kresse erstickten Bachlauf abgegrenzt, öffneten sich die Ländereien zu einem Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg, dessen weiße Kreuzreihen sich zu einer niedrigen Anhöhe erstreckten, sodass die einzelnen Kreuze immer kleiner wurden, bis die entferntesten nicht größer erschienen als die etwa ein Zentimeter großen Exemplare, die Linda und ich an Silberketten um den Hals trugen.
    Linda lachte laut auf. Der äußere Eindruck kann täuschen (wer weiß das besser als Sie?), und die Erkenntnis, dass Linda einen ausgeprägten Sinn für Humor besitzt, war ein wichtiger Schritt in unserer Beziehung. Auch Jacques grinste. Nur Frère Dierick, der sich Jacques als eine Art Amanuensis angeschlossen hatte und durchaus gewillt war, sich in seinem Boswellschen Status zu gefallen, spitzte aus Missfallen über diese unangebrachte Leichtfertigkeit die Lippen. Mit seiner hageren, fleischlosen Gestalt sah er aus wie der Tod in Mönchskutte, in Wirklichkeit aber war er bis über beide Ohren mit flämischem Phlegma gesegnet. Glücklicherweise hat Jacques, obwohl er groß und blond ist und etwas vom überschwänglichen Wesen eines Skilehrers an sich hat, sehr viel mehr gallisches Gebaren und Feuer in sich, außerdem ist er ein unverbesserlich anglophiler Zeitgenosse.
    »Mal sehen«, sagte Linda, »ob wir Sie nicht etwas weiter südlich in Australien loswerden können, Fran. Ich glaube nämlich, dort gibt es einen Lake Grace. In Gnade gestorben, darum geht’s beim Third Thought doch, nicht wahr, Bruder?«
    Dierick riss seine knochige Nase hoch, als er hörte, wie die Bewegung auf einen Scherz reduziert wurde, doch bevor er etwas sagen konnte, lächelte Jacques und meinte: »Das gefällt mir so an euch Engländern. Ihr macht euch über alles lustig. Je ernster die Sache, umso mehr reißt ihr Witze darüber. Das nenne ich köstlich kindisch. Nein, das ist nicht das Wort. Kindlich. Ihr seid die kindlichste Nation in ganz Europa. Das ist eure Stärke und kann eure Rettung sein. Euer großer Dichter Wordsworth wusste, dass die Kindheit ein Zustand der Gnade ist. Der heranwachsende Junge wird dann mehr und mehr von den Schatten der Gefängnismauern umfangen. Nur das Kind allein weiß, wie heilig die Empfindungen des Herzens sind.«
    Jacques, alter Bruder, da bringst du deine Romantiker durcheinander, dachte ich mir und versuchte herauszufinden, ob die Sache mit den Schatten der Gefängnismauern nicht ein Seitenhieb auf mich war. Aber ich glaube nicht. Nach allem, was man wusste, hatte es Jacques in der Vergangenheit selbst so bunt getrieben, dass er andere dafür kaum zurechtweisen konnte. Außerdem ist er nicht der Typ dafür.
    Aber es ist schon seltsam, wie sensibel man auf solche Dinge wie ein Vorstrafenregister reagiert. Ich weiß, heutzutage haben es einige Ex-Knackis zu einer höchst profitablen Profession gemacht, dass sie eben Ex-Knackis sind. Ihnen und Ihren Kollegen muss das doch sicherlich sauer aufstoßen. Aber ich gehöre nicht dazu. Alles, was ich will, ist, meine Zeit drinnen zu vergessen und mein Leben weiterzuführen, meinen Garten zu bestellen, sozusagen.
    Was ich recht erfolgreich und letztlich auch im Sinne des Wortes getan habe, bis Sie durch die Hecke brachen, die ich zu meinem Schutz und zur Wahrung meiner Privatsphäre errichtet hatte.
    Nicht ein-, nicht zwei-, sondern dreimal.
    Zuerst, weil Sie
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