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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve
Autoren: Jo Nesbø
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der norwegische Tätowierer Sergej die Zeichnungen eintätowiert, die ihm Imre, der Tätowierer im Gefängnis von Tagil, geschickt hatte. Es fehlte noch einiges, bis alles komplett war. Sergej dachte an die Tätowierungen von Andrej und Peter, den Adjutanten des Onkels. Die blassblauen Bilder auf den Körpern der beiden Kosaken aus Altaj erzählten von einem dramatischen Leben voller Heldentaten. Aber auch Sergej hatte schon ein Meisterstück hinter sich. Einen Mord. Nur ein kleiner, doch der war bereits mit Nadel und Tinte als kleiner Engel verewigt worden. Und vielleicht sollte ja noch ein Mord hinzukommen. Ein großer. Sollte das Notwendige notwendig werden, hatte der Onkel gesagt und ihn gebeten, sich bereitzuhalten, mental wach zu sein und sich im Umgang mit dem Messer zu üben. Er hatte gesagt, ein Mann wird erwartet. Es sei jedoch nicht ganz sicher, ob er auch wirklich kommt.
    Höchstwahrscheinlich aber schon.
    Sergej Ivanov sah auf seine Hände. Er hatte die Latexhandschuhe anbehalten. Natürlich war es ein glückliches Zusammentreffen, dass ihre normale Arbeitskleidung dafür sorgte, dass sie keine Fingerabdrücke auf den Paketen hinterließen, sollte mal etwas schieflaufen. Seine Hände zitterten nicht die Spur. Er machte diese Arbeit schon so lange, dass er sich manchmal das Risiko in Erinnerung rufen musste, um die Konzentration nicht schleifen zu lassen. Er hoffte nur, dass seine Hände ebenso ruhig waren, wenn das Notwendige – to sjto nuzhju – ausgeführt werden musste. Wenn er sich die Tätowierung verdienen konnte, deren Zeichnung er bereits geordert hatte. Noch einmal stellte er sich vor, wie es sein würde, wenn er zu Hause in Tagil sein Hemd aufknöpfte und all seinen Urkabrüdern die neuen Tätowierungen zeigte. Weitere Erläuterungen waren dann nicht mehr nötig, alles sprach für sich. Er würde niemandem etwas verraten, aber an ihren Augen erkennen, dass er nun nicht mehr Klein Sergej war. Seit Wochen betete er in seinem Abendgebet dafür, dass der Mann käme und das Notwendige notwendig wurde. Bald.
    Die Aufforderung, umgehend die Maschine nach Bergen zu reinigen, drang krächzend durch das Walkie-Talkie.
    Sergej stand auf. Gähnte.
    Die Prozedur im Cockpit war noch leichter. Staubsauger öffnen. Boarding Bag herausnehmen und in den Schrank des Copiloten stellen.
    Auf dem Weg aus dem Flugzeug kam ihnen die Crew entgegen. Sergej Ivanov vermied es, den Copiloten anzusehen. Er blickte zu Boden, registrierte aber, dass dieser die gleiche Art Rollkoffer hatte wie Schultz. Einen roten Samsonite Aspire GRT . Ohne den kleinen Boarding Bag, der oben befestigt werden konnte. Sie wussten nichts voneinander, hatten keine Ahnung, welche Beweggründe sie antrieben oder wie ihr Privatleben oder ihre Familie aussah. Das Einzige, was sie miteinander verband, waren die Telefonnummern auf ihren nicht registrierten Handys, gekauft in Thailand, um eine SMS schicken zu können, sollte es eine Änderung im Flugplan geben. Sergej zweifelte daran, dass Schultz und der Copilot etwas voneinander wussten. Andrej achtete peinlich darauf, alle Informationen absolut auf das Wesentliche zu beschränken. So wusste auch Sergej nicht, was später mit diesen Päckchen geschah. Wenn er auch eine Ahnung hatte. Denn wenn der Copilot eines Inlandsfluges zwischen Oslo und Bergen von der Rollbahn durch den Flughafen nach draußen ging, gab es weder Zoll- noch Sicherheitskontrollen. Er konnte den Boarding Bag mit in das Hotel nehmen, in dem die Crew übernachtete, bis es mitten in der Nacht diskret an der Tür klopfte und vier Kilo Heroin von Hand zu Hand gingen. Auch wenn diese neue Droge, Violin, den Preis für Heroin etwas gedrückt hatte, kostete ein Schuss, ein sogenannter Null-Zweier, auf der Straße noch immer mindestens zweihundertfünfzig Kronen. Das Gramm einen Tausender. Und wenn man den Stoff noch ein weiteres Mal streckte, machte das insgesamt acht Millionen Kronen. Rechnen konnte er. Gut genug jedenfalls, um zu wissen, wie unterbezahlt er war. Andererseits wusste er auch, dass er sich für Höheres empfahl, wenn er das Notwendige getan hatte. Dann würde er mehr bekommen, so dass er sich in ein paar Jahren ein Haus in Tagil kaufen, sich eine hübsche sibirische Frau suchen und vielleicht Mutter und Vater einziehen lassen konnte, wenn sie in die Jahre kamen.
    Sergej Ivanov spürte das Jucken der Tätowierungen zwischen den Schulterblättern.
    Sogar seine Haut schien sich auf die Fortsetzung zu freuen.
    Kapitel 3
    D er
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