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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Welt an den Füßen! Doch wir wollen diese Einsiedler nicht erschrecken! Sie sollen Gelegenheit haben, sich auf mein Kommen einzustimmen. Ich werde mich dort auf diesen Baumstamm setzen und mich für den Empfang zurecht machen!“
    Jetzt sah Hanif die beiden. Es war gerade der Schrei eines Pfaus zu hören, als sie auf dem winzigen Trampelpfad den Urwald verließen und die Lichtung betraten. Hanif beobachtete, wie die mittelgroße, blonde Frau mühsam die in den Kalksandstein geschlagenen Stufen erklomm. Vor ihr lagen nur noch wenige Schritte bis zur Felsgrotte. Ihr Begleiter machte jedoch vor den Stufen halt, um zu verschnaufen. Es war ein kleiner, dicker Mann mit einem dunklen Vollbart und einem, bis auf einen spärlichen Haarkranz, kahlen Kopf. Mit einem tiefen Seufzer befreite er sich von seinem Rucksack, entnahm der Seitentasche eine grüne Flasche, deren Etikett einen Hirsch mit einem Geweih zeigte. Er nahm einen tiefen Zug, ehe er sich ächzend auf den Baumstamm niederließ. Dann wischte er sich mit dem Ärmel seines rechten Armes den Schweiß aus dem Gesicht.
    Mathilda ging die letzten Schritte auf den mageren Hanif zu, der bis auf einen Lendenschurz unbekleidet war. Sein langes, schneeweißes Haar endete auf seinem Schädel in einem Knoten. Hanif hatte noch nie in seinem Leben einen Menschen mit blonden Haaren gesehen. Er erhob sich und ging Mathilda entgegen. Sie ließ ihren Rucksack vor Hanifs Füßen auf den Boden gleiten. Ihre blonden Haare waren zu einem dicken Zopf gebunden, der ihr bis zur Taille reichte. Staunend bemerkte Hanif, dass die Farbe ihrer Augen blau war.
    „Meister Jojo?“, fragte sie noch schwer atmend und deutete müde eine Verbeugung an.
    Hanif blickte Mathilda aus verschmitzten Augen an. Er lächelte mit mehreren Zahnlücken hinter seinem grauen, struppigen Bart. Verneinend schüttelte er den Kopf und zeigte mit der linken Hand in das Innere der Höhle. Erschöpft ließ sich Mathilda auf dem Felsen vor der Höhle nieder. Der Schweiß lief ihr in Rinnsalen über das gerötete Gesicht. Als sie sich ein wenig erholt hatte, winkte sie mit einer müden Geste ihren glatzköpfigen Begleiter heran. Hubertus nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche, ehe er sich das Gewicht seines Rucksacks wieder auflud und schwankend auf die Treppen zusteuerte. Hanif ging ihm entgegen und bot ihm seine Hilfe an. „Keine Umstände, bitte, Meister Jojo!“, protestierte Hubertus scherzhaft. Trotz seiner körperlichen Erschöpfung war selbst jetzt noch sein schelmisches Wesen zu erkennen. Mit einem Lachen glitt er dankbar aus der Schlinge des Rucksacks und überließ ihn bereitwillig Hanif, der ihn die letzten steilen Stufen emporhob.
    „Meister Jojo“, meinte Hubertus, der noch erschöpft nach Atem rang, „wir sind sehr glücklich, dich gefunden zu haben!“
    Mathilda hatte ihrem Rucksack ein silbernes Zigarettenetui entnommen und hielt es Hanif einladend hin. Mit freudigem Gesichtsausdruck nahm Hanif eine Zigarette. Hubertus` Hand zitterte noch von der überstandenen Anstrengung, als auch er zugriff und den beiden Feuer gab. Schweigend rauchten sie. Als Mathilda ihre Zigarette ausgedrückt hatte, holte sie aus den Tiefen ihres Rucksacks einen winzigen Campingkocher hervor.
    In diesem Augenblick trat ein großer, athletischer Mann aus der Höhle. Er bewegte sich mit der Trägheit einer Raubkatze. Er war kaum über dreißig und wie Hanif nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Sein schulterlanges Haar war pechschwarz, sein Gesichtsausdruck ruhig und heiter. Im Gegensatz zu Hanif war er bartlos. Man hätte ihn einen Schönling nennen können, wäre nicht dieser beherrschte Zug um seine Lippen gewesen. Er nickte den beiden Neuankömmlingen zu und setzte sich wortlos zu ihnen auf die Felsplatte. Mathilda hielt ihm einladend das geöffnete Zigarettenetui hin, doch er lehnte mit einer Handbewegung dankend ab. Hanif deutete auf den Hünen und brach in ein kicherndes Greisenlachen aus: „Das ist Meister Jojo!“
    Die Verwirrung von Hubertus und Mathilda hätte nicht größer sein können. Ihre Blicke wanderten zwischen dem älteren Hanif und dem jüngeren Mann hin und her, bis auch dieser nickte und mit einer tief tönenden Stimme bestätigte: „Ja, es stimmt! Ich bin Jojo!“
    „Wieso...“, stotterte Hubertus, „wieso ist der Schüler so viel älter als der Meister!!!??“
    Hanif brach wieder in sein meckerndes Lachen aus. Als er sich halbwegs beruhigt hatte, meinte er: „Die Sache ist einfach zu erklären!
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