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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Ich habe mich erst im fortgeschrittenen Alter um die Weisheit bemüht! Und ich konnte keinen Meister mehr finden, der älter war als ich!“ Von Lachkrämpfen geschüttelt hatte Hanif Mühe, zu Ende zu sprechen. Und selbst Jojo lächelte jetzt zustimmend.
    Es dauerte eine Weile, ehe sich Hubertus und Mathilda mit dem Umstand abfinden konnten, der ihre Vorstellungen von einem Meister und seinem Schüler auf den Kopf stellte. Nachdem Hubertus noch eine weitere Zigarette geraucht hatte, wobei auch Hanif sich allzu gerne noch einmal bediente, kramte er jetzt in seinem Rucksack herum und stellte zwei Konservendosen, einen Dosenöffner, Teller und Gabeln aus Plastik auf dem Boden ab. Unter den Blicken von Jojo und Hanif entzündete Hubertus den Kocher und stellte die erste geöffnete Konserve auf die Flamme. Es handelte sich um ein schlichtes Nudelgericht, und schon bald stieg der liebliche Duft von aufgewärmten Spaghetti auf.
    „Kommt ihr auch wegen der Berge?“, wandte sich Meister Jojo an die beiden. Er erinnerte sich an die italienische Bergsteigergruppe, die sich auf dem Weg zum Mount Everest verlaufen hatte. Sie hatten ähnliche Gerichte warm gemacht und sie mit Hanif und ihm geteilt. Als ihre Vorräte nach einer Woche aufgezehrt waren, kehrten sie singend und unverrichteter Dinge wieder heim.
    „Nein“, ergriff nun Hubertus das Wort, „wir sind deinetwegen gekommen!“
    „Meinetwegen...“, fragte Jojo erstaunt, „wieso meinetwegen?“
     
    „Die Leute in der Gegend sagen, du bist ein erleuchteter Weiser!“
    „Ach, die Leute! Das sagen sie wohl den Reisenden, damit sie mit ihnen Geschäfte machen können! Nein, ich bin nicht erleuchtet und auch kein Weiser! Ich weiß noch nicht einmal, was das sein könnte! Hanif und ich führen nur ein einfaches Leben hier, das ist alles!“, antwortete Jojo, wobei Hanif einen Blick auf die Spaghetti riskierte, während er seine Zigarette ausdrückte.
    „Sie sagen aber“, beharrte Mathilda, „du kennst die Wahrheit! Als einziger!“
    „Welche Wahrheit?“
    „Die Wahrheit von allem! Die Wahrheit des Lebens!“
    „Denen vor euch haben sie gesagt, ich könnte in die Vergangenheit und in die Zukunft blicken! Aber alles, was ich sehen kann, ist dieser Augenblick – mehr ist da nicht!“
    Wie unter Schock verteilte Hubertus die erwärmten Spaghetti auf zwei Teller und reichte sie dann Jojo und Hanif. Dann stellte er die zweite Konserve auf die Flamme. „Ist das dein Ernst, Jojo?“
    Jojo legte Besteck und Teller beiseite. Er nickte. „Ja, das ist mein Ernst. Soweit man bei solch einem Thema ernst bleiben kann! Es schmeckt gut!“, setzte er hinzu und nahm noch eine Gabel Spaghetti.
    Mathilda standen Tränen der Enttäuschung und der Erschöpfung in den Augen.
    „Es ist nicht zu fassen“, stöhnte Hubertus, „da reist man um die halbe Welt, holt sich die Ruhr und fast noch die Malaria, klappert sämtliche Klöster und Gurus ab, nimmt alle Strapazen auf sich, bis man endlich den Eremiten gefunden hat. Und dann sagt der, er führe nur ein einfaches Leben. Und der Rest ist nichts als Gerüchte, die die Leute über ihn verbreitet haben!?“ Hubertus´ anfängliches Jammern war in ein Kichern übergegangen, er ließ sich rückwärts auf die Felsplatte gleiten und bebte vor Lachen. „Das darf nicht wahr sein!“
    Auch Mathilda hatte sich von der Enttäuschung erholt und lächelte tapfer unter Tränen, schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu lachen. 
    Hubertus hatte sich wieder aufgerichtet, nahm die Konserve von der Flamme, verteilte den Inhalt auf die Teller und reichte Mathilda ihre Portion. „Sei nicht verzweifelt, Mathilda, die anderen haben nur vorgegeben, etwas zu wissen. Dieser Typ hier täuscht wenigstens nichts vor! Er führt nur ein einfaches Leben........!“ Dann brach er wieder in sein brüllendes Gelächter aus, das sich überschlug. Als er sich wieder gefangen hatte, begann er die Reste aus der Konserve auszulöffeln. Hanif hatte bereits seinen Teil vertilgt und blickte vergnügt in die Runde.
    „Das muss gefeiert werden!“, beschloss Hubertus, nachdem er die leere Dose abgestellt hatte. Er öffnete nochmals seinen Rucksack. „Unsere endlose Suche ist an ihr Ziel gelangt und hat sich im Fangnetz der Einfachheit verstrickt!“ Mit diesen Worten griff er nach der grünen Flasche, füllte den Trinkbecher und bot ihn Jojo an. Hubertus stieß sanft gegen Jojos Becher. Der nippte nur kurz und reichte ihn an Hanif weiter. Mathilda nahm ebenfalls
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