Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die lange Reise

Die lange Reise

Titel: Die lange Reise
Autoren: Robert A. Heinlein
Vom Netzwerk:
Spaß?« wandte Jim sich seinem Zwillingskopf zu. Dann fragte er Hugh. »Kannst du Messerwerfen?«
    »Natürlich«, antwortete Hugh fast beleidigt.
    »Na, dann beweis es mal. Hier ...« Joe-Jim reichten ihm ihr eigenes Messer. Hugh wog es in der Hand, um es in den Griff zu bekommen. »... versuch, dort die Scheibe zu treffen.«
    Joe-Jim hatten am äußeren Ende der Kabine, in gerader Linie von ihrem Lieblingssessel, eine Plastikzielscheibe angebracht, die sie für ihre täglichen Übungen benutzten. Hugh musterte sie kurz und warf das Messer, scheinbar ohne überhaupt zu zielen, mit einer blitzschnellen Armbewegung, und zwar mit dem Daumen auf der Klinge und die Finger von unten am Griff. Zitternd blieb die Klinge direkt im Schwarzen stecken, genau dort, wo die Kerben von Joe-Jims Würfen zeugten.
    »Gut gemacht, Junge!« lobte Joe. »Was meinst du, Jim?«
    »Er soll das Messer haben und sehen, wie weit er damit kommt.«
    »Nein, damit bin ich nicht einverstanden«, protestierte Joe.
    »Und warum nicht?«
    »Wenn Bobo gewinnt, sind wir um einen Diener ärmer. Siegt jedoch Hugh, verlieren wir sowohl Bobo als auch ihn. Das wäre sinnlose Vergeudung.«
    »Na gut, wie du meinst.«
    »Also dann, Hugh, hol das Messer.«
    Hugh gehorchte. Es wäre ihm gar nicht eingefallen, das Messer gegen Joe-Jim anzuwenden. Der Herr blieb der Herr. Es war viel zu abwegig, auch nur daran zu denken, daß ein Diener sich gegen seinen Herrn auflehnen könnte. Der Gedanke allein verstieß nicht nur gegen jegliches Moralempfinden, sondern war auch so verrückt, daß er ihn überhaupt nicht in Betracht zog.
     
    *
     
    Hugh hatte ursprünglich erwartet, seine wissenschaftlichen Kenntnisse würden auf Joe-Jim Eindruck machen, aber das war absolut nicht der Fall. Joe-Jim, vor allem aber Jim, argumentierten mit wahrem Vergnügen. Sie hatten in kürzester Zeit alles von ihm erfahren und ließen ihn nun links liegen. Hoyland fühlte sich gedemütigt. Schließlich war er ein Wissenschaftler. Konnte er nicht lesen und schreiben?
    »Darauf brauchst du dir gar nichts einzubilden«, spottete Jim. »Nichts ist einfacher als lesen. Ich konnte es schon, ehe dein Vater geboren war. Glaubst du denn vielleicht, du bist der erste Wissenschaftler, der mir dient? Wissenschaftler – pah! Nichts als Ignoranten!«
    Um seinen verletzten Stolz aufzumöbeln, erläuterte er dem Doppelkopf die Theorien der jüngeren Wissenschaftler. Er redete von dem völlig nüchternen, harten Realismus, der jegliche religiöse Auslegung ablehnte und das Schiff als das sah, was es war. Voller Zuversicht erwartete er, daß Joe-Jim diese Ansicht teilen würden; irgendwie, fand er, mußte das zu ihnen passen.
    Die beiden Köpfe lachten ihn aus. Als Jim sich von seinem Heiterkeitsausbruch erholt hatte, sagte er kopfschüttelnd: »Sag mal, seid ihr jungen Quatschköpfe denn tatsächlich so dumm? Eure Ignoranz ist ja noch schlimmer als die der Alten.«
    »Aber ihr habt doch gerade selbst gesagt, daß unsere ganzen religiösen Vorstellungen reiner Unsinn sind«, protestierte Hugh, nun noch schwerer gekränkt. »Eben das glauben meine Freunde auch. Sie wollen mit diesem ganzen alten Irrsinn aufräumen.«
    Joe öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Jim kam ihm zuvor. »Warum geben wir uns überhaupt noch mit ihm ab, Joe? Bei ihm ist jede Liebesmüh umsonst.«
    »Absolut nicht«, konterte Joe. »Ich diskutiere gern mit ihm. Er ist der erste, seit – ich kann mich gar nicht mehr entsinnen wie lange –, der eine winzige Chance hat, vielleicht doch noch die Wahrheit zu erkennen. Laß uns zufrieden, ich möchte herausfinden, wie intelligent er ist.«
    Jim gab nach. »Meinetwegen«, brummte er. »Aber seid nicht so laut, ich möchte ein wenig schlafen.« Der linke Kopf schloß die Augen und begann auch gleich zu schnarchen. Joe und Hugh führten ihre Unterhaltung im Flüsterton fort.
    »Das Problem mit euch jungen Leuten ist«, sagte Joe, »daß ihr alles für falsch haltet, was ihr nicht gleich begreift. Und das Problem mit den Alten ist, daß sie alles, was sie nicht kapierten, einfach anders auslegten und sich dann einbildeten, sie verstünden es. Keiner von euch hat auch nur versucht, die Worte so zu sehen, wie sie niedergelegt wurden und dann ihren Sinn zu ergründen. Aber nein, dazu seid ihr ja viel zu klug! Wenn ihr nicht gleich begreift, dann legt ihr sie eben anders aus, und zwar völlig falsch.«
    »Was willst du damit sagen?« erkundigte sich Hugh mißtrauisch. »Nehmen wir einmal die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher