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Die Lady auf den Klippen

Die Lady auf den Klippen

Titel: Die Lady auf den Klippen
Autoren: Brenda Joyce
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ihn auf seine erste Fuchsjagd mitgenommen.
      Seit Rex zu lesen begonnen hatte, verschwamm die Schrift immer mehr vor seinen Augen. Er konnte nichts mehr erkennen, obwohl ihm noch ein Absatz fehlte. Feuchte Flecken erschienen auf dem Brief, der vor seinen Augen zitterte. Rex legte das Blatt hin und gab auf. Tränen strömten ihm über das Gesicht, Tränen, die er nicht aufzuhalten vermochte.
      Er hatte es so satt, vorgeben zu müssen, Stephen wäre nicht sein Sohn. Er hasste diese Briefe – und er wollte seinen Sohn in die Arme nehmen. Er wollte ihm beibringen, wie man über diese Zäune sprang, und er wollte ihn auf die Fuchsjagd mitnehmen. Aber wie konnte er das tun? So war es am besten. Er wollte nicht, dass Stephen im Exil in Land’s End lebte, wie er selbst.
      Mühsam rang er um Fassung. Ach, wenn er Stephen doch nur sehen könnte, und wäre es nur ein einziges Mal. Aber er hatte den Jungen nie besucht. Wenn er dieses Arrangement aufrechterhalten wollte, dann müsste er so viel Abstand wie nur möglich zwischen ihnen halten. Stephen als Fremden zu treffen wäre unmöglich – er war sicher, dass er den Schmerz nicht ertragen würde. Vermutlich würde er in einer Opiumhölle enden – schon jetzt trank er eigentlich zu viel. Oder er würde den Jungen treffen und seine Meinung ändern. Wie selbstsüchtig das wäre!
      Auf der anderen Seite könnte er sich vor Augen halten, dass Stephen eines Tages die Wahrheit erfahren würde, aber auch dieser Gedanke war nicht tröstlich. Es würde noch Jahrzehnte dauern, ehe er auf Stephen zugehen und ihm die Wahrheit über seine Eltern sagen könnte, außer, Mowbray starb einen frühen Tod. Rex verachtete Mowbray, aber nicht genug, um ihm ein solches Schicksal zu wünschen.
      Finster betrachtete Rex die dunklen Steinwände, die ihn umgaben. Er fühlte sich, als wäre er lebendig begraben, hier in Bodenick, wo er so schwer gearbeitet hatte, um eine Ruine in ein gewinnbringendes Unternehmen zu verwandeln. Aber Land’s End war von dem Augenblick an sein Exil geworden, als er begriff, dass er seinen Sohn opfern musste. Der Tag, an dem der jährliche Brief eintraf, war immer der Tag, an dem ihm die vollkommene Hoffnungslosigkeit in seinem Leben bewusst wurde. Es war der Tag, an dem es nie genug Luft zum Atmen gab und das Leben ihn zu erdrücken drohte.
      Rex nahm seine Krücke und holte damit weit aus. Die Lampe fiel zu Boden, und die sorgfältig sortierten Papiere flogen herum. Er stand auf, lehnte sich an den Tisch, um das Gleichgewicht zu halten, und stieß mit der Krücke heftig gegen das, was sich noch auf dem Tisch befand. Ein Glas, eine Karaffe, Briefbeschwerer und noch mehr Papiere fielen zu Boden.
      Er atmete schwer, schloss die Augen und rang um Beherrschung. Dieser Tag würde vorübergehen. So war es immer. Morgen würde er seine Zuchtstuten in Augenschein nehmen, die Arbeit an der neuen Scheune wieder aufnehmen und damit anfangen, den Teich zu füllen, den er hinter dem Schlossturm anlegen wollte. Noch immer zitterte er, während er schwer und angestrengt atmete. Der Schmerz und die Verzweiflung zerrten an ihm – er fühlte gleichsam die Klauen in seiner Brust.
      Er blickte hinunter zu der Karaffe, die nicht zerbrochen war, und bückte sich. Eine Feder in der Krücke ermöglichte es, dass die sich nach seinen Wünschen zusammenzog. Langsam hob er die Karaffe wieder auf. Vor langer Zeit schon hatte er gelernt, die Krücke auf jede nur erdenkliche Weise zu benutzen. Sie war nach seinen Wünschen gefertigt, mit Federn und Haken, und er war sich gar nicht mehr bewusst, dass sie da war. Sie war ein Teil seines Körpers geworden – sein rechtes Bein.
      Ein Viertel des Whiskeys war noch übrig, und er trank so viel davon, wie es ihm in einem Zug möglich war.
      In diesem Moment eilte ein Hausmädchen herein. „Mylord!“, rief sie und betrachtete mit großen Augen das Durcheinander, das er angerichtet hatte.
      Rex trank auch den Rest aus der Karaffe und stellte sie dann wieder auf den Tisch. Langsam wandte er den Blick dem Mädchen zu. Es gab eine angenehmere Art zu vergessen.
      Anne hockte auf den Knien und sammelte die Papiere auf. Sie war zwanzig Jahre alt, hübsch, drall und sehr, sehr lüstern. Vor zwei Monaten war sie in seine Dienste getreten und hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie mehr wollte, als sein Haus zu putzen und seine Wäsche zu waschen. Und er selbst wollte weder auf Vergnügen noch auf Leidenschaft
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