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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens
Autoren: Carlos Castaneda
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Gefahr zu erkennen. Aber dies ist nicht die einzig mögliche Art der Wahrnehmung. Es gibt noch eine andere Methode, mit der ich dich vertraut machen möchte: die unmittelbare Wahrnehmung des Wesens der Dinge - der Energie selbst. Erst wenn wir das Wesen der Dinge wahrnehmen, wird es uns gelingen, die Welt in einer neuen, vielschichtigeren und interessanteren Sprache zu erforschen und zu beschreiben«, behauptete Don Juan. Und die vielschichtigere Sprache, an die er dachte, war diejenige, die seine Vorfahren ihn gelehrt hatten: eine Sprache im Einklang mit jenen Wahrheiten der Zauberei, die keine rationale Begründung brauchen und unabhängig sind von den Fakten der Alltagswelt - selbst-evidente Wahrheiten für die Zauberer, die Energie unmittelbar wahrnehmen und das Wesen der Dinge sehen. Das Wesen des Universums selbst zu sehen sei für diese Zauberer die wichtigste Tat der Zauberei. Wie Don Juan sagte, hatten die Zauberer der Vorzeit als erste das Wesen des Universums gesehen und es auf die bestmögliche Art und Weise beschrieben. Das Wesen des Universums, behaupteten sie, gleiche einer Konfiguration von weißglühenden Fasern, die sich ins Unendliche erstreckten, leuchtende Gespinste, die auf eine dem menschlichen Denken unvorstellbare Art mit Bewusstsein begabt sind. Nachdem die Zauberer der Vorzeit das Wesen des Universums sahen, gingen sie einen Schritt weiter und sahen auch das energetische Wesen des Menschen. Sie hätten die Menschen in Gestalt von leuchtenden großen Eiern gesehen, sagte Don Juan, und sie folglich als leuchtende Eier beschrieben.
    »Wenn Zauberer einen Menschen sehen«, sagte Don Juan, »sehen sie eine große leuchtende Gestalt, die dahinschwebt und bei ihrer Fortbewegung eine tiefe Furche in der Energie der Erde hinterläßt, als hätte die leuchtende Gestalt eine nachschleppende Pfahlwurzel.«
    Don Juan meinte, daß unsere Energiegestalt sich mit der Zeit verändert habe. Denn alle Seher, die er kannte - und auch er selbst -. hätten die Menschen wohl eher in Kugelgestalt oder sogar in Form von eckigen Grabsteinen gesehen, nicht in eiförmiger Gestalt. Es komme aber immer wieder vor, daß Zauberer einen Menschen sehen, dessen Energiefeld wie ein Ei geformt ist. Heutige Menschen, deren Energiefeld wie ein Ei geformt ist, sagte Don Juan, hätten eben Ähnlichkeit mit den Menschen früherer Zeiten. Immer wieder kam Don Juan bei seinen Lehren auf die - wie er glaubte - wichtigste Entdeckung der alten Zauberer zu sprechen. Sie hätten nämlich in der leuchtenden Kugelgestalt des Menschen ein besonderes Merkmal gefunden: einen runden Fleck von stärkerer Leuchtkraft, nicht größer als ein Tennisball, und immer im Inneren der leuchtenden Kugel lokalisiert und von deren Glanz überstrahlt etwa einen halben Meter hinter dem rechten Schulterblatt des Betreffenden.
    Dies konnte ich mir nur schwer bildlich vorstellen, als Don Juan es mir zum erstenmal beschrieb, und darum betonte er, daß die leuchtende Kugel natürlich viel größer sei als der menschliche Körper, den sie einhülle. Jener stärker leuchtende Punkt sei aber Bestandteil der Energie-Kugel und befinde sich in Höhe der Schulterblätter, etwa eine Armeslänge hinter dem Körper des Menschen. Weil nun die alten Zauberer sahen, was dieser leuchtende Punkt macht, nannten sie ihn den Montagepunkt. »Also, was macht der Montagepunkt?«
    »Nun, er macht, daß wir wahrnehmen«, antwortete er. »Die alten Zauberer sahen, daß an diesem Punkt die Wahrnehmung des Menschen zusammengesetzt, sozusagen >montiert< wird. Und weil die alten Zauberer sahen, daß nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen solch einen leuchtenden Punkt haben, vermuteten sie, daß Wahrnehmung generell an diesem Punkt stattfindet, wie auch immer.«
    »Was sahen die alten Zauberer? Und wieso kamen sie zu dem Schluss, daß die Wahrnehmung im Montagepunkt zusammengesetzt wird?« fragte ich.
    Sie sahen, erstens, erzählte Don Juan, daß unter Millionen leuchtender Fäden, die durch die leuchtende Kugelgestalt hindurchgehen, nur ein kleiner Teil direkt den Montagepunkt schneidet - wie auch zu erwarten, nachdem er ja, im Vergleich zum Ganzen, viel kleiner sei.
    Sie sahen, zweitens, daß der Montagepunkt immer von einer weiteren Sphäre glühender Leuchtkraft umgeben ist, ein wenig größer als er selbst, wodurch das Licht der direkt durch diese Glut hindurchgehenden Fasern ganz wesentlich verstärkt werde. Und schließlich sahen sie noch zwei Dinge: zum einen, daß der
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