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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens
Autoren: Carlos Castaneda
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das Träumen uns jene anderen Sphären erschließt. Träumen scheint eine Empfindung zu sein; ein Vorgang im Körper, ein geistiges Bewusstwerden.« Im Rahmen seiner allgemeineren Lehren erläuterte Don Juan mir sehr eingehend die Grundlagen, Praktiken und Prinzipien des Träumens. Seine Unterweisung fiel in zwei Teile. Der eine betraf die Vorgänge des Träumens; der andere die rein abstrakten Erklärungen dieser Traum Vorgänge. Seine Lehrmethode bestand darin, abwechselnd meine intellektuelle Neugier auf die abstrakten Prinzipien des Träumens zu wecken und mich dann Erfahrungen in deren praktischer Anwendung sammeln zu lassen. All dies habe ich bereits geschildert, so ausführlich, wie es mir nur möglich war. Und ich schilderte auch das Milieu der Zauberer, in das Don Juan mich einführte, um mich seine Kunst zu lehren. Meine Interaktionen in diesem Milieu der Zauberer waren für mich besonders interessant, weil sie ausschließlich im Zustand der zweiten Aufmerksamkeit stattfanden. So hatte ich Umgang mit den zehn Frauen und fünf Männern, die Don Juans Gefährten in der Zauberei waren, sowie mit den vier jungen Frauen und vier jungen Männern, die seine Schüler waren. Diese letzteren versammelte Don Juan, gleich nachdem ich in seine Welt gekommen war. Er machte mir klar, daß sie eine traditionelle Gruppe von Zauberern bildeten, eine Kopie seiner eigenen Gesellschaft, und daß ich sie führen solle. In der Arbeit mit mir aber erkannte er, daß ich anders beschaffen war, als er erwartet hatte. Diesen Unterschied erklärte er mit einer Energie- Konfiguration, die nur für Zauberer sichtbar sei: statt vier Energieabteilungen, wie er selbst, hätte ich nur drei. Solch eine Konfiguration, die er irrigerweise für einen korrigierbaren Makel gehalten hatte, machte mich so völlig ungeeignet zur Interaktion mit diesen acht Lehrlingen, oder gar zur Übernahme der Führung, daß es Don Juan geboten schien, eine andere Gruppe von anders beschaffenen Leuten zu versammeln - besser passend zu meiner energetischen Struktur.
    Von diesen Vorgängen habe ich ausführlich berichtet. Aber noch nie habe ich jene zweite Gruppe von Schülern erwähnt; Don Juan hatte es mir nicht erlaubt. Sie gehörten ausschließlich zu meinem Feld, sagte er; meine Vereinbarung mit ihm sah aber nur vor, über sein Feld zu schreiben, nicht über mein eigenes. Die zweite Schülergruppe war sehr klein. Sie hatte nur drei Mitglieder: eine Träumerin, Florinda Donner-Grau; eine Pirscherin, Taisha Abelar; und eine Nagual-Frau, Carol Tiggs. Wir interagierten nur in der zweiten Aufmerksamkeit miteinander. In der alltäglichen Welt kannten wir uns nicht einmal von ungefähr. In unseren Beziehungen zu Don Juan aber gab es nichts Unbestimmtes: er gab sich die größte Mühe, uns alle gleich gründlich auszubilden. Doch zum Ende hin, als Don Juans Zeit zu Ende ging, begann der psychische Druck seiner bevorstehenden Abreise die festen Schranken der zweiten Aufmerksamkeit aufzulösen. Die Folge war, daß unsere Interaktionen auf die Alltagswelt Übergriffen und wir uns scheinbar zum erstenmal kennenlernten.
    Bewusst aber hatte keiner von uns eine Ahnung von unseren Interaktionen im Zustand der zweiten Aufmerksamkeit. Nachdem wir uns alle mit wissenschaftlichen Studien befassten, waren wir mehr als überrascht, als wir feststellten, daß wir uns schon früher begegnet waren. Dies war und ist natürlich eine intellektuell unhaltbare Annahme, und doch wissen wir, daß es für uns empirische Erfahrung war. Seither bleibt uns die beunruhigende Gewißheit, daß die menschliche Psyche unendlich viel komplizierter ist. als unsere weltliche oder wissenschaftliche Vernunft uns glauben machte.
    Einmal bestürmten wir alle Don Juan, doch etwas Licht in unser Dilemma zu bringen. Er könne nur zwei Erklärungen anbieten, sagte Don Juan. Einerseits könne er unserem - durch solche Erfahrungen verletzten - Vernunftprinzip schmeicheln und behaupten, die zweite Aufmerksamkeit sei ein Bewusstseinszustand, so illusorisch wie am Himmel fliegende Elefanten und alles, was wir in diesem Zustand erfahren zu haben glaubten, sei nur das Produkt hypnotischer Suggestionen. Andererseits aber könne er diesen Zustand so erklären, wie Zauberer und Träumer ihn verstehen: als eine energetische Konfiguration des Bewußtseins. Bei meinen Übungen im Träumen blieb jedoch die Barriere der zweiten Aufmerksamkeit immer unverändert erhalten. Jedes Mal wenn ich in den Zustand des Träumens eintrat,
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