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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens
Autoren: Carlos Castaneda
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ein Gefühl der Zielrichtung und des Gleichgewichts.
    »Wenn du dich sorgst, was du mit deinen Blättern anfangen sollst«, erklärte mir Don Juan,
    »dann konzentrierst du einen sehr gefährlichen Teil deiner selbst auf sie. Wir alle haben diese gefährliche Seite dieser Fixierung. Je stärker wir werden, desto tödlicher ist diese Seite. Daher die Empfehlung für Krieger, keine materiellen Gegenstände bei sich zu tragen, auf die sich ihre Kraft konzentrieren könnte, sondern sie auf den Geist, auf den wahren Flug ins Unbekannte und nicht auf banale Schilde zu konzentrieren. In deinem Fall sind deine Notizen dein Schild. Sie lassen dich nicht in Frieden leben.«
    Ich war aufrichtig der Meinung gewesen, daß es mir ganz unmöglich wäre, mich von meinen Notizen zu trennen. Don Juan dachte sich dann eine Aufgabe für mich aus, anstelle des eigentlichen Nicht-Tuns. Bei einem so auf Besitz eingestellten Menschen wie mir, so sagte er, bestünde das geeignetste Mittel, mich von meinen Notizbüchern zu befreien, darin, sie zu enthüllen, sie offen darzulegen, ein Buch zu schreiben. Damals fand ich, dies sei ein noch größerer Witz als das Notizenmachen mit der Fingerspitze.
    »Dein Zwang, Dinge zu besitzen und festzuhalten, ist gar nicht so einzigartig«, sagte er. »Jeder, der dem Weg der Krieger, dem Weg der Zauberer folgen will, muß diese Fixierung loswerden.
    Mein Wohltäter erzählte mir, daß es einmal eine Zeit gab, als die Krieger materielle Gegenstände hatten, auf die sie ihre zwanghafte Besessenheit übertrugen. Daraus ergab sich die Frage, wessen Gegenstand mächtiger oder der mächtigste von allen wäre. Überbleibsel dieser Gegenstände sind noch immer in der Welt erhalten, es sind die Überbleibsel dieses Wettlaufs um Macht. Niemand weiß, welch eine Fixierung diese Gegenstände empfangen haben. Männer, die unendlich viel mächtiger waren als du, ließen alle Aspekte ihrer Aufmerksamkeit in sie eindringen. Du hast gerade erst begonnen, deine kleinlichen Sorgen auf deine Notizen zu übertragen. Du bist noch nicht zu anderen Stufen der Aufmerksamkeit vorgedrungen. Denk nur, wie furchtbar es wäre, wenn du dich am Ende deines Weges als Krieger wiederfändest, noch immer dein Bündel Notizen auf dem Buckel schleppend. Dann werden die Notizen lebendig sein, besonders wenn du gelernt hast, mit der Fingerspitze zu schreiben, und trotzdem noch immer Papierzettel aufhäufen mußt. Unter diesen Umständen würde es mich gar nicht überraschen, wenn jemand deine Papierbündel durch die Gegend laufen sähe.“
    »Ich kann ganz leicht verstehen, warum der Nagual Juan Matus nicht wollte, daß wir Besitztümer haben«, sagte Nestor, nachdem ich dies alles erzählt hatte. Wir alle sind Träumer.
    »Er wollte nicht, daß wir unseren Traumkörper auf den schwachen Aspekt der zweiten Aufmerksamkeit konzentrieren.
    Damals verstand ich seine Manöver nicht. Ich lehnte mich dagegen auf, daß er von mir verlangte, mich von allem zu trennen, was ich besaß. Ich fand, er sei unfair. Ich war davon überzeugt, daß er Pablito und Nestor davor bewahren wollte, mich zu beneiden, weil sie selber nichts hatten. Verglichen mit ihnen ging es mir gut. Damals hatte ich keine Ahnung, daß er meinen Traumkörper schützen wollte.«
    Das »Träumen« hatte Don Juan mir auf verschiedene Arten geschildert. Die unverständlichste von allen scheint mir heute den Sachverhalt am besten zu definieren. Er sagte, das »Träumen« sei im wesentlichen das Nicht-Tun des Schlafes.
    Eine der Grundvoraussetzungen des Nicht-Tuns, dazu bestimmt, das »Träumen« zu unterstützen, war das Nicht-Tun des Sprechens, bezeichnet als das »Anhalten des inneren Dialogs«. Beides gehört insofern zusammen, als das Anhalten des inneren Dialogs den Praktikern die notwendige Ruhe und den Seelenfrieden verleiht und dies wiederum ihnen hilft, ihre Träume zu kontrollieren. Das »Träumen« als Nicht-Tun des Schlafes ermöglicht es den Praktikern, jenen Teil ihres Lebens zu nutzen, den sie schlafend verbringen. Es ist, als ob die »Träumer« nicht mehr schliefen. Aber dies hat keine Krankheit zur Folge. Den »Träumern« fehlt es nicht an Schlaf, sondern die Folge des »Träumens« ist anscheinend eine Zunahme der wachen Zeit, unter Nutzung eines angeblichen zusätzlichen Körpers, des »Traumkörpers«.
    Don Juan hatte mir erklärt, daß der Traumkörper manchmal als »Doppelgänger« oder »der Andere« bezeichnet würde, weil er eine perfekte Nachbildung vom Körper
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