Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kundschafter

Die Kundschafter

Titel: Die Kundschafter
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
Töchter... Valida... sie hat ihm sicher alles gesagt.«
    »Unfug!« brummte Mythor.
    Der Anführer winkte und deutete zur Spitze des Heerwurms, der im Wald verschwand. Er riss sein Pferd herum und rief: »Folgt mir zum Eulenberg! Es ist nicht weit. Vor Anbruch der Nacht sind wir dort.«
    Mythor blickte seine Freunde schweigend an. Sie begriffen, was er ihnen wortlos sagen wollte. Sie folgten widerwillig und wichen der Gewalt. Vermutlich würde Corian mehr als erstaunt sein, sie so bald wiederzusehen. Der Eulenberg schien etwa in halber Entfernung zwischen ihrem jetzigen Standort und dem Fluss Lorana zu liegen, nicht weit entfernt von Darain.
    *
    Hinter langgezogenen Wolken versank die Sonne. Sie zeigte sich als riesengroße, flachgedrückte Scheibe von blutroter Farbe. Ihr Licht übergoss die Landschaft mit einem gespenstisch gefärbten Licht. Der Eulenberg stellte sich als runde Hügelkuppe dar, nicht sonderlich hoch, gekrönt von den Ruinen uralter Türme und halb zerfallenen Steinen einer alten Kultstätte.
    Rund um den Hügel befanden sich Zelte und Fahnenmasten. Es waren wohl hundert Feuer, die überall brannten. Pferde weideten in großen Herden inmitten der Pferche. Ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Überall waren Krieger zu sehen. Das Land unterhalb des Hügels summte förmlich vor Geschäftigkeit. Einzelne Gruppen fochten Scheinkämpfe gegeneinander aus. In den Ohren der Ankömmlinge waren das unablässige Klirren von Schwertern und die aufgeregten Schreie der Kämpfenden. Ein stechender Geruch nach Schweiß und den Ausdünstungen der Tiere erfüllte die träge Luft des Abends.
    Riesige Bäume mit kahlen Ästen, die sich wie verdorrte Knochenfinger gegen den feuerroten Himmel reckten, umgaben die Ruinen der Eulenberg-Bauwerke. Neun Zehntel der Reiter verteilten sich zu den einzelnen Zelten und Feldzeichen, ehe sie den Fuß des Hügels erreichten.
    Lamir von der Lerchenkehle stieß hervor: »Leichenfresser! Überall sind die schwarzen Vrod-Krähen!«
    Tatsächlich kreisten Schwärme von Krähen über den gezackten schwarzen Mauern und Turmstümpfen. Und auf jedem Ast der Bäume hockten sie schwarz und schweigend nebeneinander, Tausende dieser grässlichen Aasvögel.
    »Es sind Werkzeuge des Bösen!« brummte Cesano.
    »Noch haben sie uns nicht angegriffen!« schränkte Jesson ein. »Trotzdem. Welch ein unappetitlicher Eindruck.«
    Ein Teil der Reiter stob in hartem Galopp den Hügel aufwärts und sprang vor der ersten Barriere aus den Sätteln. Mythor und seine Freunde stiegen ebenfalls ab, aber sie übergaben die Zügel ihrer Tiere dem jungen Barden, der sich aus gutem Grund zu verstecken versuchte.
    Die Ruinen, durch Fackeln, Feuer, Lampen und Kerzen halbwegs erhellt, waren das Zentrum einer auffallenden Betriebsamkeit.
    Hölzerne Abdeckungen waren aufgeschlagen worden. Leinen, Speere und Segeltuch bildeten zeltartige Dächer. Glattgehobelte Scheunentore, auf Böcke und Steinquadern aufgestellt, wurden als Tische benutzt. Pergamentene Karten, deren Enden mit Steinen beschwert oder mit Dolchen im Holz festgehalten wurden, breiteten sich aus. Über andere Quader hatte man Felle und Decken geworfen.
    Anführer kamen und gingen, schnarrten Meldungen und rannten den Hügel wieder abwärts. Schnauzbärtige Krieger schleppten Krüge und Becher hin und her. Es roch durchdringend nach stark gewürztem, heißem Rotwein. Ein Krähenschwarm taumelte in wirren Kurven über der Kante eines halb zusammengestürzten Turmes hin und her. Hinter einer Palisadenwand lachte kreischend eine junge Frau. Ein kräftiger Fluch erscholl aus einer anderen Ecke.
    Graf Corian saß hinter einem Tisch. Dicke schwarze Felle bedeckten seinen Feldstuhl. Rechts und links von ihm standen schwere eiserne Becken voller dunkelroter Holzkohlen, die durchdringende Hitze verbreiteten. In der Hand hielt Corian einen mächtigen Becher, halb gefüllt mit dem heißen Würzwein.
    Seine Augen weiteten sich, sein Mund stand offen, als er Mythor und Gapolo entdeckte. Er sprang auf und verschüttete Wein auf das Pergament. Sein wehender Mantel brachte die Flammen der Kerzen zum Flackern.
    »Du, Mythor?« rief er verwundert aus.
    »Kein anderer«, bestätigte Mythor. »Meine Freunde und ich. Deine Leute bestanden darauf, uns herzubringen.«
    Heerführer und Abgesandte aller Völker im weiten Umkreis waren gekommen und gegangen. Auch jetzt umstanden mindestens zwei Dutzend Männer den Tisch. Man sah ihnen auf den ersten Blick an, dass sie zum Kampf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher