Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Küsten der Vergangenheit

Die Küsten der Vergangenheit

Titel: Die Küsten der Vergangenheit
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
der nicht sicher war, ob er richtig verstanden hatte. »Sie befindet sich in hervorragendem Zustand.«
    Kerr schien gelangweilt. »Ich fliege nicht«, erklärte er.
    Max hatte drei von Kerrs Romanen gelesen: Gelber Sturm, Nacht in Shanghai und Die Burma-Überquerung. Er hatte die Bücher genossen und war nicht imstande gewesen, sie vor dem Ende aus der Hand zu legen. Er war beeindruckt vom Wissen des Autors über die Details der Fliegerei.
    »Es stimmt«, sagte Kerr. »Ich tue nur so. Ich kann nicht fliegen.«
    Max starrte ihn an. Kerr stand vor der blau und weiß gestrichenen Gondel. Das Flugzeug trug einen frischen dschungelfarbenen Anstrich. Die Kennung K-9122 war in Weiß auf den Rumpf gemalt, darunter der Namenszug White Lightning und das Bild eines Whiskeyfasses. 1943 war die White Lightning auf einem Flugfeld außerhalb Londons stationiert gewesen, wo sie zu einer mit der RAF kooperierenden Schwadron gehört hatte. Später hatte sie Bombereskorten über Deutschland geflogen, eine Aufgabe, für die ihre Kombination aus Reichweite und Feuerkraft wie geschaffen war. 1944 war die White Lightning in den Pazifik verlegt worden.
    Die Maschine besaß eine lange Geschichte. Max hatte sie aus den Aufzeichnungen der US Army Air Force rekonstruiert und mit Piloten und Bodenpersonal gesprochen. Jetzt zog er eine Computerdiskette hervor. »Hier ist alles drauf, was wir herausgefunden haben. Piloten, Kampagnen, Abschüsse. Acht bestätigte Abschüsse von Kampfflugzeugen sind darunter. Und zwei Heinkels. Feindliche Bomber.«
    »Schön.« Kerr winkte ab. »Ich werde sie nicht benötigen.« Er schraubte die Kappe von einem goldenen Stift und blickte sich suchend nach einer geeigneten Schreibunterlage um. Die Backbordheckflosse. »Wollen Sie ihn zahlbar an Sie persönlich?«
    »An die Sundown Aviation.« Max’ Gesellschaft. Sundown Aviation restaurierte antike Kampfflugzeuge und handelte mit den Maschinen.
    Kerr schrieb den Scheck aus. Vierhunderttausend. Der Gewinn der Firma würde sich auf hundertfünfundzwanzigtausend belaufen. Gar nicht schlecht.
    Es war ein grüner Vordruck. Auf der Vorderseite befand sich ein Bild von einer P-38 im Flug. Max faltete den Scheck und schob ihn in seine Brusttasche. »Wollen Sie die Lightning in ein Museum stellen?« erkundigte er sich.
    Die Frage schien Kerr zu überraschen. »Nein«, lautete die Antwort. »Kein Museum. Ich werde sie in meinem Garten aufstellen.«
    Max spürte ein Stechen in der Magengegend. »Im Garten? Mister Kerr, von diesen Maschinen gibt es nur noch sechs Stück auf der ganzen Welt. Sie ist voll funktionsfähig. Sie können die P-38 doch nicht einfach auf einer Wiese abstellen!«
    Kerr machte einen amüsierten Eindruck. »Ich würde meinen«, sagte er, »daß ich verdammt noch mal so gut wie alles damit tun kann, was ich will. Können wir jetzt endlich weitermachen?« Er blickte auf die Akte in Max’ Hand, in der die Besitzurkunde abgeheftet war.
    Kerrs Pilotenheld war ein genialer, geistreicher und sehr menschlicher Protagonist. Millionen Menschen liebten Bronco Adams und stimmten darin überein, daß sein Schöpfer das Thema Fliegereithriller zu einem neuen Höhepunkt geführt hatte. Doch in jenem Augenblick kam Max der Gedanke, daß eben dieser Schöpfer ein Blödmann war. Wie war das möglich? »Wenn Sie die Lightning auf Ihren Rasen stellen«, sagte Max, »dann wird sie im Regen naß. Sie wird rosten.«
    In Wirklichkeit wollte er sagen, daß ein Flugzeug wie die P-38J etwas Besseres verdient hatte, als auf dem Grundstück eines reichen Mannes als Ornament vor sich hin zu gammeln.
    »Falls sie rostet«, entgegnete Kerr, »werde ich bei Ihnen anrufen. Sie können dann zu mir kommen und die Maschine wieder in Schuß bringen. Wenn wir jetzt weitermachen können? Auf mich wartet Arbeit.«
    Eine Pendlermaschine nach Brasilia umkreiste das Flugfeld und bereitete sich auf die Landung vor. Sie leuchtete rot und weiß vor einem wolkenlosen Himmel.
    »Nein!« sagte Max impulsiv und nahm den Scheck wieder aus der Brusttasche. Er hielt ihn Kerr hin. »Ich denke nicht.«
    »Wie bitte?« Kerr runzelte die Stirn.
    »Ich denke nicht, daß wir ins Geschäft kommen.«
    Die beiden Männer blickten sich an. Kerr zuckte die Schultern. »Ja. Vielleicht haben Sie recht, Collingwood«, sagte er schließlich. »Janie hat die Idee sowieso nicht besonders gefallen.« Er wandte sich auf dem Absatz um und ging über den Kiesweg zum Terminal davon, ohne ein einziges Mal zurückzusehen. Max
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher