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Die Kristallwelt der Robina Crux

Die Kristallwelt der Robina Crux

Titel: Die Kristallwelt der Robina Crux
Autoren: Alexander Kröger
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nach Vaters Darstellung sich auch keine Mühe dazu gab –, hatte den Fall formal abgehandelt, ohne Rücksicht zu nehmen auf die Persönlichkeit, die Mentalität oder gar die Verdienste dessen, der vor ihm stand. Vielleicht war er auch der Ansicht gewesen, daß es kein Fall sei, der dem Betroffenen unter die Haut gehen würde. Was war denn schon geschehen? Es hatte Streit gegeben zwischen den Verbindungskomitees zweier kleiner afrikanischer Staaten – Airob und Tasa, ja –, die einige Jahre später in der Union aufgingen, erinnerte sich Robina. Um eine pauschalvertraglich zugesicherte Sendung aus ehemaligen Armeebeständen ging es. Jedenfalls fühlte sich das eine Komitee gegenüber dem anderen benachteiligt. Um was es ganz konkret ging, wußte Robina nicht mehr, um irgendwelche Arbeitsmaschinen jedenfalls – mit und ohne Räumschilde oder so etwas. Es war wohl so weit gegangen, daß es beim Entladen im Hafen, bei dem Vertreter beider Staaten zugegen waren, zu temperamentvollen Auseinandersetzungen gekommen war, im Grunde harmlos, wie Vater schilderte. Aber er sei für die Sendung verantwortlich gewesen, und die Beschwerde beim zuständigen Ausschuß der Vereinten Nationen habe eben zu dem Disziplinarverfahren führen müssen… Dagegen war auch nichts einzuwenden, nur daß sie ihm die ganze Schuld geben würden, damit hatte er nicht gerechnet. Und sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn hatte ihm dann wohl den bösen Streich gespielt. Er resignierte, resignierte gründlich. Die Freude an der Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Standardausgleich war verdorben. Er gab sie auf, wurde Automatist und – Angler und fühlte sich so angeblich wohler…
    Robina seufzte und zuckte dann lächelnd die Schultern. Des Beibootes wegen wird sich wohl keiner bei einem Ausschuß beschweren, und so ehrenrührig ist der Unfall auch nicht. Aber – Robina fühlte das zum erstenmal – wenngleich Vater ganz gewiß den falschen Schluß gezogen hatte, vielleicht auch übersensibel reagierte, das Versagen lag wohl doch mehr beim Schiedsrat. Wenn die Gesellschaft jemanden, der bereit ist, alles zu geben, mit Freude zu geben, brüskiert, ihn verletzt, dann ist das heutzutage irreparabel. Man kann nicht Persönlichkeiten entwickeln, Schöpfertum beflügeln wollen und dann gleichsam mit geschlossenen Augen die Flügel beschneiden… Vor allem dann nicht, wenn die – in diesem Falle sogar nur vermeintliche – Minderleistung in keinem Verhältnis steht zum bis dahin Erbrachten. Hätte sich Vater danach nur gerührt…!
    Robina strich über die glatte Fläche des Kristalls, der vor ihr in unnachahmlichem Ebenmaß aufragte. Sie sah sich wie in einem Spiegel. Einen Augenblick lang überkam sie das Gefühl, sie müsse sich drehen, recken, sich im Raumanzug von allen Seiten betrachten. Der Spiegel hat mich gefoppt, dachte sie dann. Aber – und leise pochte wieder Bangigkeit – ich hatte das Boot hochgenommen, im letzten Augenblick, aber doch rechtzeitig!
    Der Blitz und der Schub…
    Albern. Ich kann froh sein, daß ich keinen schweren Schock davongetragen habe. Keiner kann übelnehmen, daß mir das Erinnern an diesen Augenblick schwerfällt. Ich habe eben doch zu spät reagiert, eine hundertstel Sekunde vielleicht… Aber den Boden des Bootes habe ich doch gesehen, das muß bedeuten, daß ich mindestens parallel zur Spiegelfläche geflogen bin.
    Vorhalten kann man mir, daß es nicht mein erster Flug zu diesem Stützpunkt gewesen ist. Aber welcher Mensch ist schon in der Lage, einen Vorgang absolut gleich zu wiederholen? Und das bei einer Landung, bei der sich der Flugplatz so rasch wie hier unter einem wegdreht – und bei dem flirrenden Licht. Außerdem – das hatten wir alle festgestellt – hebt sich das Landezeichen viel zuwenig von der strengen Kristallgeometrie der Umgebung ab.
    Ich werde es überstehen! Robina schloß das Nachdenken über die Folgen ihrer Unaufmerksamkeit ab.
    Nachher, wenn sie mich holen, werden wir das Brauchbare noch ausladen und in die Grotte schaffen. Wahrscheinlich werden wir festlegen müssen, daß keine weiteren Transporte erfolgen, um nichts mehr zu riskieren… Das zweite Beiboot durfte nicht gefährdet werden. Robina nickte ihrem Spiegelbild zu. Flüchtig kam ihr jener warme Frühlingsnachmittag in den Sinn, es war im zweiten Jahr am Institut auf Fehmarn gewesen, und sie lächelte.
    Diesem Frühling war ein rauher Winter mit Nässe und Nebel vorangegangen. Kein Mensch hatte je daran gedacht, die Insel der
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