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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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drücken und mir dabei zuflüstern würde, ich solle mir keine Sorgen machen, meine Zeit werde schon noch kommen.
    »Am zwölften September ist es so weit, stimmt’s?« Liza schenkte sich ihr Glas noch einmal ganz voll. Nachdem sie einen großen Schluck genommen hatte, schmatzte sie genüsslich mit den Lippen. Ich betrachtete sie liebevoll  – einer der Knöpfe ihrer sehr eng sitzenden Bluse war aufgesprungen, und ihre kastanienbraune Mähne fiel ihr zerzaust ins gerötete Gesicht. »Da werden wir uns wohl ein Hochzeitsgeschenk für dich ausdenken müssen. Irgendwas ganz Besonderes.«
    »Ich wünsche mir von euch beiden nur eins«, erklärte Danielle und beugte sich dabei so weit vor, dass ich die kleinen Schweißperlen über ihrer Oberlippe sehen konnte. Mir schoss durch den Kopf, dass sie bestimmt eine Liste mit Geschenkvorschlägen hatte und ich womöglich einen elektrischen Wasserkocher oder einen halben silbernen Teelöffel erstehen musste. »Ich möchte, dass ihr auf der Feier spielt.«
    »Was?«, antworteten Liza und ich nicht nur synchron, sondern auch im gleichen ungläubigen, entsetzten Tonfall.

    »Ich brenne schon die ganze Zeit darauf, euch um diesen Gefallen zu bitten. Wirklich, es würde mir so viel bedeuten. Und Jed auch.«
    »Du meinst, wir sollen Musik machen?«, fragte ich ausgesprochen dämlich.
    »Ich muss so oft an den Abend denken, als ihr damals an der Uni für einen guten Zweck gespielt habt  – und zwar derart herzergreifend, dass ich weinen musste. Das war einer der glücklichsten Abende in meinem Leben.«
    »Aber nicht in meinem«, erwiderte ich. Was noch untertrieben war. »Außerdem haben wir seit einer Ewigkeit nicht mehr zusammen gespielt … wahrscheinlich seit besagtem Abend.«
    »Definitiv seit besagtem Abend«, schaltete Liza sich schnaubend ein. Sie hatte bei dem Auftritt gesungen, und schon damals, vor fast zehn Jahren, war ihre Stimme vom vielen Rauchen ganz heiser gewesen. Ich stellte mir lieber nicht vor, wie sie jetzt wohl klingen mochte. Vermutlich wie eine Krähe, der ein Zweig im Hals stecken geblieben war. »Bei der Hälfte der anderen wissen wir nicht mal, wo sie gelandet sind.«
    »Und wollen es auch gar nicht wissen«, fügte ich hinzu.
    »Ray ist in Australien.«
    »Ihr könnt euch doch wieder zusammentun«, tat Danielle unsere Einwände ab, »nur für dieses eine Mal. Das wäre bestimmt lustig. Nostalgisch.«
    »Ich weiß nicht so recht.«
    »Mir zuliebe?«, säuselte sie. Es fiel ihr offenbar schwer zu begreifen, dass wir nicht die Absicht hatten, auf ihrer Hochzeit zu spielen. »Man heiratet schließlich nur einmal.«
    »Es geht nicht«, erklärte Liza, hörbar erleichtert. Sie unterstrich ihre Worte mit einer theatralischen Geste. »Wie ihr wisst, lasse ich mich freistellen. Da seht ihr mich höchstens noch von hinten. Ich verbringe vier volle Wochen in Thailand und Vietnam und komme erst ein paar Tage vor der Hochzeit zurück. Selbst wenn es uns gelänge, die anderen zu überreden  –
was ihr vergessen könnt  –, wäre ich zu den Proben trotzdem nicht da. Genauso wenig wie die meisten der anderen. Schließlich haben wir Sommer.«
    »Oh«, sagte Danielle und sah dabei aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, weil aus ihren schönen Plänen nichts wurde. Doch dann hellte sich ihre Miene wieder auf. Das zierliche Kinn auf die Hand gestützt, wandte sie sich an mich: »Aber du bist da, Bonnie. Den ganzen Sommer über. Und hast nichts anderes zu tun, als deine Wohnung zu renovieren.«
    Keine Ahnung, wie es dazu kam, dass ich Ja sagte, obwohl ich eigentlich Nein sagen wollte. Keine Ahnung, warum ich zuließ, dass diese Geschichte sich in meine schönen sechs Wochen drängte, die doch reserviert waren für gemütliches Herumtrödeln zwischen gelegentlichen Renovieranfällen. Dumm, wie ich war, ließ ich es zu.

Danach
    Ich wusste nicht, was ich als Nächstes tun sollte. Obwohl mir klar war, dass womöglich jede Sekunde zählte und mir die Zeit davonlief, stand ich einfach nur im Wohnzimmer herum, krampfhaft bemüht, nicht in die Richtung zu schauen, wo er mit dem Gesicht nach unten in einer Lache seines eigenen Blutes lag. Ich versuchte, logisch zu denken, doch statt klarer Gedanken waren in meinem Gehirn nur Leerstellen. Irgendwann legte ich geistesabwesend die Hand an den Türriegel, im Begriff, auf die Straße hinauszurennen und gierig die frische Nachtluft einzusaugen, doch dann riss ich mich zusammen. Rasch wischte ich den Riegel mit dem
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