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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Deckert
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hergekommen, wo einige rätselhafte kleine Häuschen, eigentlich nur Verschläge, aufgereiht standen wie eine zweidimensionale Filmkulisse. Immer noch halb blind tappte ich darauf zu. Ich glaubte zu sehen, wie sich in der Tür einer der Buden eine Gestalt materialisierte.
    »Ich hab zu spät gemerkt, wo du hinzielst«, rief die Gestalt und wies mit einer Hand senkrecht nach oben. Dort sah ich, was er meinte, einen wandernden Lichtkegel. Es war einer dieser Flakscheinwerfer, der Strahl kam direkt aus dem Vergnügungsareal und musste eine Wolke gestreift haben, just in dem Moment, als ich sie betrachtete. Benommen blinzelte ich der Leuchtspur nach.
    »Ich hab nichts gesucht«, rief ich und machte noch ein paar Schritte auf ihn zu. Im Halbdunkel erkannte ich jetzt einen jungen Mann, der etwa in meinem Alter sein mochte. Die Blechbude, vor der er stand, war niedrig und bestand nur aus Außenwänden , so dass man von oben hineinsehen konnte wie in eine offene Büchse. Das Innere dieses Verhaus wurde vom Bildschirm eines Laptops erleuchtet, dessen grünliche Farbe sich auf dem glatt lackierten Tubus eines Teleskops spiegelte. Auf dem Bildschirm kreuzten sich feine grüne Linien inmitten einer verwirrenden Dichte aus Zahlen und griechischen Buchstaben.
    »Was machst du da?«, fragte ich.
    »Die Sternwarte bekommt ein neues Teleskop.«
    »Gehörst du zur Sternwarte?«
    »Nein, ich hab das Teleskop gebaut.« Er lächelte mir freundlich zu und sah sofort wieder zu dem Laptop hin, der seine Aufmerksamkeit zu fordern schien. Linien begannen auf dem Bildschirm zu tanzen und besprenkelten sein Gesicht mit Grün.
    »Ich arbeite an einem Astronomiebuch. Für Kinder«, erklärte ich ungefragt. »Das heißt, ich bin nur für die Illustrationen zuständig.«
    »Ah.«
    »Ja, ich dachte , ein Besuch hier könnte mir helfen?«
    »Helfen?« Er tippte und hörte nur mit einem Ohr zu.
    »Bei der Recherche, meine ich …«
    »Du brauchst keine Recherche. Du brauchst nur deine Augen.«
    »Vorhin hab ich einen Kometen gesehen«, sagte ich, ohne auf seine neunmalkluge Bemerkung einzugehen. »Aber er ist wohl nichts Besonderes – hab ich gehört.«
    Er sah von dem Bildschirm auf, rappelte sich hoch, wandte sich mir zu und fixierte mich, alles in einer Bewegung.
    »Du erwartest ganz schön viel. Denkst du, es passiert ein Weltwunder an dem Tag, wo du hier aufkreuzt?«
    »Nein, ich würde nur gern was Richtiges sehen.«
    »So. Was Richtiges.«
    Mit dem Rücken gegen die Blechwand gelehnt, sah er in den milchigen Himmel, als suchte er den Fleck mit bloßem Auge. Der Beamer zog in weiten Schwenks über der Stadt seine Kreise und zeichnete sinnlose Gemälde auf die Wolken. »Also, was willst du sehen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Womit fängt man denn normalerweise an?«

KAPITEL 3

    T om war ein schneller Fahrer. Sobald wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, stieg er aufs Gas und nutzte jede lange Gerade, die sich ihm bot, um auf hundertdreißig zu beschleunigen. Bei diesem Tempo blies mir auf dem Beifahrersitz pfeifende und donnernde Luft um die Ohren. Wir saßen in Toms japanischem Sportcoupé, einem etwas mitgenommenen Wagen aus den Achtzigerjahren mit röhrendem Motor und einem Targadach aus Plastik, das er vor der Fahrt geöffnet hatte (»Dafür warst du doch hier, oder?«). In der Tat, nun konnte ich den Himmel sehen, während die Beschleunigung mich in das abgewetzte Kunststoffleder seiner Sitze drückte. Abwechselnd zischten dunkle Baumwipfel und die Straßenlaternen der Vororte und Dörfer über uns hinweg, dann wieder kam ein Stück offener Landstraße und die zuvor im Lichtschein verborgenen Sterne traten hervor , als hätte jemand einen Vorhang weggezogen. Auf diesen Schwellen pflegte Tom ruckartig zu beschleunigen, was das Brausen des Windes jedes Mal zu einem Donnern anschwellen ließ. Der Mittelstreifen der Landstraße flog förmlich unter uns weg.
    »Du hättest Astronaut werden sollen, nicht Astronom« , brüllte ich.
    »Wollte ich auch zuerst«, schrie Tom.
    »Ich habe Angst, mir ein steifes Genick zu holen. Ist das gesund, in dem kalten Wind immer nach oben zu sehen?«
    »Keine Ahnung« rief Tom. »Ich bin auch gar kein Astronom.«
    »Was dann?«
    »Ich beobachte nur. Ohne Mathematik.« Er nahm den Blick von der Straße , und ich versuchte , interessiert zu nicken, wobei ich einen Schmerz spürte. Mein Hals begann sich wirklich steif anzufühlen.
    »Das heißt, du guckst nur so zum Spaß in den Himmel?«
    »Nein, so ist
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