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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Deckert
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Zeile klebte ein Weitwinkelfoto des Himmels – »das Foto gibt den Eindruck nicht richtig wieder. Mrs. Anand sagt, es ist besser als im Weltraum.
    In dem Haus, in dem wir wohnen – auf dreitausend Metern – leben nur Astronomen: Japaner, Kanadier, Franzosen und viele Hawaiianer. Es ist ein Privileg, hier oben wohnen und arbeiten zu dürfen. Der Berg ist den Hawaiianern heilig, die Alten halten ihn für das Zuhause von Poliahu, der Göttin des Schnees. Selbst die wenigen Gebäude, die sie erlaubt haben, sind umstritten, weil sie die Ordnung der Schreine auf dem Berg stören.
    Ich kann hier nicht länger bleiben als ein paar Tage, dann werde ich wohl zu Livingston zurückfahren. Es geht ihm gut. Er lässt dich grüßen. Er will seinen Wunsch wahrmachen und in die Nähe von Tucson ziehen. Ich werde ihm beim Umzug helfen. Dann weiß ich noch nicht, wie es weitergeht. Ich könnte ja in Portal bleiben. Aber es ist schwierig zurückzukehren. Jetzt habe ich den Himmel hier gesehen!«
    Tom hatte noch ein paar andere Bilder beigelegt, die mit persönlichen Beobachtungen und Anmerkungen versehen waren, einige meteorologischer Art (»Der Mauna Kea ist wirklich allen anderen Berggipfeln der Erde überlegen, wegen einer tropischen Inversionswetterlage ist er fast immer wolkenfrei, kein Vergleich mit Chile!«), andere alltäglich oder sogar komisch. Ich sah den Wekiu-Käfer, einen unauffälligen aber offenbar sehr seltenen Käfer, der auf dem Gipfel lebte und sich ausschließlich von toten Mücken ernährte, die der Wind aus dem Regenwald heraufblies. Das letzte Foto, das ich herausnahm, zeigte einen merkwürdig luxuriösen Fahrstuhl. Die Aufzüge der Sternwarten, schrieb mir Tom, hätten alle gepolsterte Wände, da die Neuankömmlinge in den sauerstoffarmen Kabinen häufig ohnmächtig würden. Und ich sah ein paar Fotos von lachenden Menschen mit Skijacken, Stahlbrillen und Bartstoppeln. Tom schrieb mir, das seien die Teleskoptechniker. Sie hätten den besten Job der Welt. An vier Tagen in der Woche lebten sie auf dem Gipfel, an den restlichen gingen sie surfen. Er konnte sich vorstellen, selbst Teleskoptechniker zu werden.
    Die schönsten Fotos hängte ich mir über meinen Zeichentisch. Neben die wenigen Fotos von Tom, die ich besaß.
    Komet Eisenroth habe ich nicht wieder gesehen. Mir reichte es zu wissen, wo am Himmel er stand, ab und zu wenigstens in die richtige Richtung zu sehen und seinen Pfad in Gedanken nachzuvollziehen. Mit Tom tat ich übrigens genau dasselbe. Seit es das Internet gibt, ist es einfach, Freunden auf der Spur zu bleiben. Wahrscheinlich hätte ich Tom leicht finden und seinen Weg begleiten können. Aber ich glaube, zwischen uns bestand ein stilles Einvernehmen, dass wir nicht auf diese Art voneinander Abschied nehmen wollten, schrittweise und immer wieder. Zweimal bekam ich noch Post von ihm. Einmal aus Hawaii, wo er sich wohl mehrere Monate lang aufhielt. Und wiederum einige Monate später erhielt ich eine schriftliche Nachricht aus Namibia. Was genau er da machte, musste ich mir vorstellen – ein Leben auf Tafelbergen unter den Magellan’schen Wolken.
    Von seinem Kometen hörte ich, dass er noch im Juni des nächsten Jahres immerhin an die 14. Größenklasse heranreichte – Fans und Amateure aus Deutschland, Japan und den USA machten sich die Mühe, täglich seine Helligkeit zu schätzen. Selbst im Dezember war er in einigen der größten Teleskope noch sichtbar.
    Er entwickelte so etwas wie ein Eigenleben. Es gibt manche Kometen, die nach ihrem Umlauf noch eine Zeitlang ungewöhnlich hell bleiben. Man kann es Nachglühen nennen – als wären sie von ihrem Umlauf um die Sonne immer noch erregt. Und tatsächlich kühlen die Zentren ihrer Aktivität langsamer ab, als sie brauchen, um sich zu erwärmen. Ich habe es mir so erklärt, dass sie nach dieser winzigen Episode, die nur einen Bruchteil ihres in Kälte und Dunkelheit verbrachten Lebens ausmacht, einfach nicht anders können, als noch eine Weile zu leuchten.

NACHWORT DES AUTORS

    I n dem vorliegenden Romantext »Die Kometenjäger« sind Fakten und Fiktion miteinander verwoben. Oft ist von Tatsachen und wirklichen Begebenheiten die Rede, es sollte aber vielleicht erwähnt werden, dass die Kometen Livingston, Bradley und Eisenroth 1, 2 und 3 natürlich nicht existieren, ebenso wenig wie ihre Entdecker. Einige wenige reale Personen tauchen als Charaktere im Text auf, allen voran der Teleskoperfinder John Dobson – es wäre schlicht unsinnig
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