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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
Autoren: Marc Deckert
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Männer stand auf einer Leiter und polierte die Glaskristalle. Ein anderer schraubte Stehtischchen zusammen, von denen schon einige in dem Saal verteilt herumstanden. Ich ging durch die Reihen und grüßte die Männer, die mich teils unbeteiligt freundlich zurückgrüßten, bis ich zu einem kam, der gerade nichts zu tun zu haben schien. Er hatte sich auf dem Treppenparkett niedergelassen und rauchte.
    »Kann ich was für Sie tun?«
    »Wann wird hier eröffnet?«
    Er lachte: »Sind Sie ein Gast? Dann sind sie zwei Tage zu früh.«
    »Ach schade«, sagte ich. »Das wusste ich nicht.«
    »Sind Sie von draußen reingekommen? Sie können hier nicht rumlaufen.«
    »Sie haben Recht«, sagte ich. »Ich komme besser in zwei Tagen wieder.« Ich machte auf dem Absatz kehrt und war schon auf der Schwelle der offenen Tür, als mich jemand zurückrief. Ein kleiner Herr mit krausem grauem Haarkranz lief mir nach. Er trug einem Blaumann, der mich an meinen Schulhausmeister erinnerte, und in typischer Hausmeistermanier erkundigte er sich auch, wen und was ich gesucht hätte. Weil mir nichts Besseres einfiel, sagte ich ihm, ich sei auf der Suche nach dem Hotelchef gewesen.
    »In welcher Sache?«
    »Ich wohne gegenüber auf dem nächsten Hügel. Und die Lichter waren mir zu grell.«
    »Oh. Ich glaube, da kommen Sie zu spät.« Er setzte trotzdem ein besorgtes Gesicht auf.
    »Ja«, sagte ich, »schade, wissen Sie, drüben gibt es ein Observatorium. Eine kleine Sternwarte.«
    »Und Sie sind der Betreiber.«
    »Ja, sozusagen. Könnten Sie nicht das Licht eine Weile ausmachen?«
    »Das darf ich gar nicht. Die Außenlichter müssen mindestens bis eins brennen.« Er zuckte hilflos lächelnd mit den Achseln und fügte hinzu: »Vorschrift!«
    »Wir machen drüben eine Vorführung für Kinder.«
    »Ich bin nur der Haustechniker. Sie hätten gleich mit der Verwaltung reden müssen.«
    »Es ist eine Vorführung für Stadtkinder. Nur heute Nacht.«
    Er zuckte noch einmal die Achseln und sah mich kopfschüttelnd an.
    »Vielleicht würden zehn Minuten genügen.«
    »Zehn Minuten?«
    »Ja. Nur das Außenlicht.«
    Er starrte eine Weile seine Füße an. »Ach, wissen Sie, das ist ja wirklich egal«, sagte er plötzlich. »Das könnte ja nur eine Sicherung gewesen sein.« Und damit ließ er lächelnd seine kleinen Eckzähne sehen.
    Ich dankte ihm und ließ ihn wissen, dass er den Kindern ein großes Geschenk mache. Bevor wir uns die Hand gaben, vereinbarten wir noch eine feste Uhrzeit. In einer Stunde würde er den Schalter umlegen.
    Um zu begreifen, dass sich in Toms Observatorium etwas verändert hatte, brauchte ich kein Licht. Meine Nase bemerkte die erste Veränderung bereits, als ich die Tür aufschloss. Ich roch nur den Staub. Das Werkstattgemisch aus Öl und Altmetall fehlte. Aber ich glaube, auch ohne diese Sinneswahrnehmung wäre mir die Abwesenheit des großen Metallungetüms sofort bewusst geworden. Es war seine hundertjährige Aura, die fehlte. Der Raum war so leer wie das Vakuum zwischen den Sternen.
    Natürlich machte meine Ahnung den Moment, in dem ich den Weißlichtschalter umlegte und das Ergebnis der Plünderung sah, nicht weniger schmerzlich. In der Mitte des Raums war nur noch die Mittelsäule des Teleskops, ein dicker, sich nach oben verjüngender Obelisk aus Beton, der aussah, als wäre er der Erinnerung gewidmet und nur deshalb hier zurückgelassen worden. Ich ging einmal um ihn herum, wie um mich zu versichern, dass der Raum tatsächlich leer war, dann holte ich mein eigenes Teleskop aus dem Wagen.
    Toms stattlicher Turm und das selbstgebastelte Dobson aus Pappe: Ich gebe zu, es war ein eigenartiges Bild. Zeremoniell geriet die ganze Veranstaltung dadurch in eine Schieflage. Ich glaube aber, Tom hätte mir verziehen. Schließlich hatte auch Sir William Herschel am liebsten mit einem kleinen, selbstgebauten Teleskop gearbeitet anstatt mit dem größten Gerät seiner Zeit. Und dem Kometen tat ich auch kein Unrecht. Kometen, die uns nah genug sind, brauchen keine starke Vergrößerung. Am besten sehen sie in einem einfachen Fernglas aus.
    Als das kleine, dicke Dobson also mitten in dem viel zu großen Observatorium stand, ließ ich mit dem üblichen Seilruck das Sternenlicht herein, dann drehte ich die Kuppel so lange, bis Sirius über mir leuchtete. Und dann konnte ich nichts mehr tun, als im Dunkeln zu warten. Irgendwo rechts neben Sirius, zwischen den beiden Hasenpfoten, musste der Komet sein. Ich hatte noch ein wenig Zeit, um
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