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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
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er die Augen wieder öffnete, lag er lang ausgestreckt auf
dem Rücksitz der Limousine, und die Frau kniete neben ihm, ihr
Antlitz immer noch von Schatten verhüllt. Die Fenster
mußten offen sein, der Fahrtwind spielte mit ihrem Haar und
streifte kühl Dennys Gesicht.
    Oder streichelt sie vielleicht mein Gesicht?
    »Ich habe Fieber, ich träume«, murmelte er.
    »Scht! Seien Sie still! Wir werden Sie gleich zu einem Arzt
bringen.« Sie hatte eine tiefe, gutturale Stimme.
    Er spürte jede Bewegung der Limousine, während sie durch
die Nacht fuhren. Er schaute durchs Fenster und erblickte die
Fassaden hoher moderner Gebäude, die zu ihm
hereingrüßten. Rashid Street? fragte er sich.
Zumindest waren sie bereits weit vom Bazarviertel entfernt.
    »Ich muß… über und über mit Blut
verschmiert sein… Ihre Polster«, sagte er schwach.
    »Das macht nichts.«
    Sie fuhren über einen offenen Platz, und das Mondlicht fiel
auf ihr Gesicht. Sie war die schönste Frau, die Denny jemals
gesehen hatte. Dunkle, mandelförmige Augen, hohe Backenknochen,
das kräftige, aber feine Kinn und die Nase des arabischen
Adels.
    Ein arabischer Engel, wie aus dem Koran entsprungen, ein Engel aus
dem Paradies.
    Vielleicht bin ich schon tot, dachte Denny, und bin
irrtümlich im Himmel der Muslims gelandet.
    Doch er hatte ganz gewiß nicht die Absicht, sich über
den Irrtum zu beklagen.

Sie nannten sich Weltregierung, aber sie regierten nur sehr
spärlich, und es gab auf der Erde so manchen Fleck, wo sie
überhaupt nicht zu regieren hatten. Zum Beispiel jene Gebiete,
die von den großen multinationalen Firmen kontrolliert
werden.
    De Paolo war auf seine Weise bewundernswert. Er sorgte
dafür, daß die Weltregierung jenes Ansehen erwarb, das
erforderlich war, um das Wettrüsten zu bremsen und alle atomaren
Waffen zu zerstören. Doch wenn sie mich fragen, so waren es die
Großfirmen – wie etwa diejenigen, die Eiland Eins erbauten
–, die schließlich merkten, daß ein Atomkrieg auf
jeden Fall für den Profit nachteilig war. Sobald sie dies
einsahen, war die Weltregierung bald in der Lage, die Völker zu
»überreden«, auf ihre Atomwaffen zu
verzichten.
    Doch dadurch gerieten wir in eine Situation, wo die
Großmächte (sprich: Konzerne) ihre wirtschaftliche
Machtstellung gegen die kleinen Völker ausspielten, während
die Weltregierung hilflos zwischen zwei Stühlen saß. Gut,
es war eine Art Weltkrieg, ein wirtschaftlicher und ökologischer
Krieg, wobei heimlich Wettermanipulationen vorgenommen und
Umweltwaffen eingesetzt wurden, die selten als solche erkennbar
waren.
    Wir aber auf Eiland Eins gehörten zu diesem Konzern, ob es
uns nun paßte oder nicht…
    - Cyrus C. Cobb,
Tonbänder für eine
nicht autorisierte Autobiografie.

 
3. Kapitel
     
     
    Eingehüllt in ein himmelblaues Gewand stand David in seiner
Küchennische und stöberte in den Schränken. Doch sein
Blick haftete unverwandt auf Evelyn.
    Das Schwimmen hatte ihr gut getan, und nun schien sie etwas
entspannt, während sie am prasselnden Kiefernholzfeuer
saß, eingewickelt in ein übergroßes korallenrotes
Badetuch, und in die Flammen starrte.
    »Spirituosen sind das einzige, was wir nicht
herstellen«, meinte er. »Wir müssen alles
einführen. Meistens ist es Old Moon Juice aus Selene. Soweit ich
weiß, handelt es sich um eine Mischung aus selbstgebrautem
Wodka und Raketentreibstoff. Aber ich habe da etwas Wein von der Erde
aufgetrieben… und eine Flasche Tennessee-Bier.«
    Evelyn lehnte sich gegen das große Kissen, das sie sich auf
dem Fußboden zurechtgelegt hatte. »Glauben Sie wirklich,
daß keiner hier oben heimlich eine Destille betreibt?«
    David schüttelte den Kopf. »Nicht, daß ich
wüßte.«
    »Ich glaube, hier gibt es auch keine Diebe.«
    Und mit einem Grinsen: »Und keine Steuereintreiber.«
    »Ein kleines Wunder, das Paradies genannt wird.«
    Nun wandte er seine Aufmerksamkeit ganz den Schränken zu und
entdeckte schließlich die Flaschen. »Da haben wir’s.
Kalifornischer Chablis oder…«
    »Ein Chablis wäre großartig«, meinte
Evelyn.
    »Er ist nicht sehr kalt. Ich werde ihn für Sie
kühlen.«
    »Nein, danke, er wird auch so schmecken.«
    David machte sich für einen Augenblick mit den Gläsern
zu schaffen. »Wie steht’s mit dem Essen? Sie können
zwischen Hase, Hühnchen oder Ziege wählen.«
    »Ziege?« Sie verzog das Gesicht.
    »Lehnen Sie nicht ab, bevor Sie’s versucht haben. Es
schmeckt besser als Lammfleisch…«
    »Ich möchte das
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