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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer
Autoren: Linda Fairstein
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unterhalten. Ich würde gerne mehr über Ihre Arbeit hören.«
    Quentin wandte sich um, um sein leeres Weinglas gegen ein volles einzutauschen, und ich bedachte ihn im Weggehen mit einem leichten Kopfnicken. Nina hauchte ihm eine Kusshand zu und folgte mir.
    »Das ist der Kerl, der die ganze Chose hier leitet?«
    »Er hat zwölf Jahre lang mit Spielberg zusammengearbeitet. Er ist ein absolutes Genie, wenn es darum geht, interaktive Materialien und futuristische Kinobilder zu kreieren. Er schafft es, dass unbelebte Objekte aussehen, als wären sie aus Fleisch und Blut. Er hat einen Blick wie kein anderer.«
    »Das habe ich gemerkt.« Ich stellte mich auf Zehenspitzen und hielt nach Jake Ausschau. »Hatten die Museumsbonzen Quentin vor dem heutigen Abend schon mal zu Gesicht bekommen?«
    »Du meinst, der Deal wäre nicht zu Stande gekommen, falls das der Fall gewesen wäre?«
    »Hast du den Verstand verloren? Dieses Museum ist von alten Männern gegründet worden. Sehr reich, sehr weiß, sehr presbyterianisch. Im Naturkundemuseum ist es so ziemlich das Gleiche. Die alten Knaben mögen mittlerweile unter der Erde sein, aber diese Einrichtung hier wird nicht gerade von einer bunt gewürfelten Clique aus der Stadt geleitet.«
    »Jemand bei dem Projekt hat seine Hausaufgaben gemacht. Unsere Vorgruppe hat sich um alles Praktische gekümmert, um dieses Ereignis hier zu organisieren. Wahrscheinlich das am konservativsten aussehende Filmteam, das ich jemals westlich des Mississippi gesehen habe. Für die Vertragsangelegenheiten wurde eine alteingesessene hiesige Kanzlei angeheuert, und Quentins Auftritt hob man sich für die heutige Gala, die große Ankündigung auf.«
    »Und wie lief’s?«
    »Hör dir das Gemurmel an. Das Kuratorium, die Presse, die oberen Zehntausend - wer auch immer diese Leute sind, sie scheinen begeistert zu sein.« Nina dirigierte mich zu der kleinen Nische im Zentrum des größeren Bauwerks, des Tors zum Tempel von Dendur, um mir an einem ruhigeren Ort von der Präsentation zu erzählen, die ich versäumt hatte.
    »Kennst du Pierre Thibodaux?« Sie deutete zum Podium, wo gerade ein großer, dunkelhaariger Mann von einer kleinen Gruppe Museumsfunktionäre weggeholt wurde. Er signalisierte seinen Kollegen etwas mit erhobenem Finger und ging dann in den angrenzenden Korridor hinaus.
    »Nur vom Namen her. Er ist neu in der Stadt.« Thibodaux hatte vor knapp zwei Jahren die Nachfolge von Philippe de Montebello als Direktor des Metropolitan Museum of Art angetreten.
    »Er hat an allen Meetings mit unserer Vorgruppe teilgenommen. Diese Ausstellung ist sein Baby. Er ist brillant, engagiert, gut aussehend. Du musst ihn kennen lernen -«
    »Meine Damen, Sie können sich nicht gegen das Bauwerk lehnen, hören Sie?«, ermahnte uns ein Aufseher.
    Wir verließen die Nische und machten uns auf die Suche nach einem anderen ruhigen Plätzchen.
    »Lass uns gehen, damit wir uns normal unterhalten können. Hier drinnen sind heute Abend genauso viele lebende wie tote Schakale. Mir schwant, dass der arme Augustus, als er diese Monumente bauen ließ, nicht vorhergesehen hat, dass sie einmal der begehrteste Platz für Cocktailempfänge in Manhattan werden würden.«
    Nina folgte mir verärgert die Stufen hinab. »Wer ist Augustus? Wovon, zum Teufel, redest du? Der Tempel ist doch ägyptisch, oder?«
    Ich war von klein auf regelmäßig ins Metropolitan Museum gekommen und kannte die meisten der ständigen Ausstellungen ziemlich gut. »Du hast zur Hälfte Recht. Er wurde in der Nähe von Assuan erbaut, aber im Auftrag eines römischen Kaisers, der damals über die Region herrschte. Augustus ließ ihn zu Ehren der beiden jungen Söhne eines nubischen Stammesführers errichten, der im Nil ertrunken war. Es tut mir Leid, deinen Enthusiasmus zu dämpfen, Nina. Ich habe heute nur schon so viel mit dem Tod zu tun gehabt, dass ich mich frage, warum wir es für angemessen halten, unsere Festivitäten inmitten der Grabstätten dieser alten Kulturen auszurichten. Würde man es nicht als anstößig empfinden, die nächste Cocktailparty auf dem Arlington-Friedhof abzuhalten?«
    »Es tut mir Leid, dass sie heute Abend keinen Scotch servieren, Alex. Entspann dich, okay? Wir können jederzeit gehen, wenn du willst. Wer ist die alte Dame, die sich an Jake klammert?«
    Er hatte uns gesehen und kam auf die Plattform zu, auf der wir standen. Eine silberhaarige Frau mit massenhaft baumelndem Saphirschmuck - an den Ohrläppchen, Handgelenken,
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