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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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schlechte Laune hatte und sich nutzlos vorkam, schwamm weit in die Wellen hinaus und dachte daran, dass die Wellen früher, vor langer Zeit, dafür sorgten, dass ein Kind im Bauch heranwuchs – zumindest den alten Erzählungen zufolge –, also schwamm sie umher und zwischen den Felsen herum und dachte: Vielleicht wird es wieder so.
    Und alle, alle weiblichen Wesen saßen im Licht des Vollmonds zusammen und erzählten einander die uralten Geschichten, nach denen die Kinder früher durch helles Mondlicht entstanden waren. Und vielleicht, wenn sie alle lange genug dort sitzen blieben und lange genug den Mond anstarrten, vielleicht …
    Damit keine mehr beschuldigt wurde, Heimlichkeiten mit den Männern zu haben, sagte Maronna, es sei äußerst unwahrscheinlich, dass die Gestalten, die sie gesehen hatten, ihre Männer seien. Wenn diese wirklich in der Nähe wären, dann wären sie schon zu ihnen geeilt. Natürlich sehnten sich die Männer genauso sehr nach ihnen, wie sie die Männer vermissten. Die Frauen wussten, dass das Leben der Männer vom Verlangen nach ihnen bestimmt war, auch wenn sie die Frauen vergaßen, sobald die Vereinigung vollzogen war – bis zum nächsten Mal. Es wurden allerhand Witze gerissen, vermutlich die frühesten Witze, die über dieses Thema gemacht worden sind. Ich gehe davon aus, dass wir, die wir so viel später leben, unsere Witze mühelos in jene Zeit übertragen können. Schließlich kann kein männliches Wesen verbergen, wenn ein bestimmter Teil seiner Anatomie ein Verlangen hegt, weder damals noch heute. Togen und Gewänder sind uns da eine große Hilfe, doch jene Menschen konnten nicht viel verstecken unter ihren Fellen und Fischhäuten, den Schurzen aus Federn und Blättern. Unsere derben Spiele in Kneipen und Tavernen haben meist mit jenem Teil unserer männlichen Anatomie zu tun. Warum sollte es damals anders gewesen sein? Ich glaube, Folgendes ist der Quell jenes Gelächters, das durch so viele Zeitalter klingt: Frauen nörgeln und schimpfen und kritisieren, sind aber abhängig von einer gewissen Rastlosigkeit dessen, was den männlichen Wesen in grauer Vorzeit den Namen Ungeheuer eingebracht hat. Aber … ich schweife ab. Denn ich kann einfach nicht glauben, dass eine bestimmte Art Witz, von Männern oder Frauen gerissen, irgendwann einmal nicht existiert hat oder irgendwann aussterben wird.
    Weil die Jungen durch das Warten auf die Männer von ihrer Bedeutung erfahren hatten, untersuchten sie sich selbst, zogen ihre Schlüsse daraus und fingen an zu prahlen und zu scherzen, was zur Reizbarkeit der Frauen beitrug.
    Gar nicht weit weg, im Grunde so nah, dass der Abstand zwischen Maronna und Horsa mit einem halben Tagesmarsch zu bewältigen gewesen wäre, brachen junge Männer gruppenweise in alle Richtungen auf und kehrten nur deshalb in gewissen Zeitabständen zurück, weil Horsa darauf bestand. Als einigen Jägern eine bestimmte Anordnung der Bäume bekannt vorkam, rannten sie los, um die Sache näher zu betrachten. Die nahe gelegene Kluft oder die Küste, die sich an die der Frauen anschloss und ganz ähnlich aussah, hätten sie möglicherweise nicht wiedererkannt, doch als sie gemeinsam auf der Lichtung standen, überblickten sie die Lage sofort. Weil sie noch wussten, dass es gefährliche Tiere gab, nahmen sie ihre Waffen zur Hand. Sie standen schweigend unter den Bäumen, die über ihre Kindheit gewacht hatten, und nichts konnte ihre Erinnerungen trüben, bis auf die drei Frauen, die sie begleiteten und sich dagegen gewehrt hatten, mitzukommen. Die Männer wollten sich vereinigen, doch obwohl die Natur den Frauen sagte, dass es die richtige Zeit zur Vereinigung war, waren sie unwillig und zierten sich, um unsere Ausdrücke (und wahrscheinlich unsere Vorstellungen) zu bemühen. Doch schließlich konnten sie nicht wissen, dass ihre Expedition so bald zu Ende sein würde; sie nahmen wahrscheinlich an, dass sie immer weiter unterwegs sein würden wie bisher. Und das hätte bedeutet, dass die Kinder unterwegs zur Welt kommen und möglicherweise sterben würden. Ob sie so dachten? Die Chroniken sagen nur, dass die Frauen »den Männern Erleichterung verweigerten«.
    In den Aufzeichnungen, die wir besitzen, wird nie über sexuelle Forderungen der Jungen geklagt, nicht einmal, als es viel mehr männliche als weibliche Wesen gab, oder als es zu dem kam, was wir Massenvergewaltigung nennen würden. Das können wir auslegen, wie wir wollen, und anscheinend sind entsprechende
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