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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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Versuche unternommen worden. Alle Erklärungen spiegeln nur Vorurteile wider. Zum Beispiel halten es einige unserer strengeren Matronen für recht und billig, während der Schwangerschaft auf die Vereinigung zu verzichten. Einige religiöse Sekten führen versponnene Gründe an, auf die wir hier nicht weiter eingehen müssen.
    Die Jäger bereuten an diesem Tag im Wald, dass sie die Mädchen mitgeschleppt hatten, denn die beklagten sich lautstark, dies sei ein gefährlicher Ort und die Jungen seien wie üblich zu unvorsichtig.
    Tatsächlich hielten die Jungen besonders nach Schweinen Ausschau. Die Hütten und Unterstände, die auf der Lichtung gestanden hatten, waren zusammengefallen; eine Plattform, die vermutlich ein Kind in einem Baumwipfel errichtet hatte, war wohl unter dem Gewicht einer Großkatze zusammengebrochen. Wo sich eine Sau gesuhlt hatte, floss das Wasser inzwischen wieder klar, nur auf dem Grund war der Schlamm zerwühlt und verschmutzte das Wasser ein wenig. Doch nicht am zerwühlten Boden war zu erkennen, dass eben noch eine Sau dort gelagert hatte, sondern am Kot, der so frisch war, dass die Mädchen beunruhigt in das Dickicht blickten.
    »Warum sind sie nicht da?«, murmelten die Jungen, sahen sich um und hielten ihre Waffen bereit. Die Mädchen schimpften: »Ach, ihr seid so dumm. Damals waren sie hier, weil wir hier waren, und wenn sie jetzt merken, dass wir zurück sind, sind sie auch bald wieder da.«
    Die Jungen murmelten, schließlich habe es auf der Lichtung keine Tiere gegeben, als sie in Besitz genommen worden sei, jedenfalls nicht viele, aber die Mädchen sagten: »Natürlich sind sie nicht sofort gekommen. So etwas wie uns hatten sie nämlich noch nie gesehen. Anfangs wussten sie nicht, dass man uns fressen kann. Auf jeden Fall wollen wir nicht hier sein, wenn sie wiederkommen.« Und sie fingen an zu weinen.
    »Warum lauft ihr nicht zu Horsa zurück?«, sagten die Jungen. »Immer müsst ihr alles verderben.«
    »Warum bringt ihr uns nicht einfach zu unserem Platz an der Küste?«
    Darauf waren die Jungen noch nicht gekommen. Sie konnten sich nicht mehr erinnern, dass es ganz einfach gewesen war, zwischen Lichtung und Küste hin und her zu gehen. Die schöne Zeit, die sie hier verbracht hatten, schien lange zurückzuliegen, und sie erinnerten sich nur dunkel daran, hin und her gelaufen zu sein. Doch das wollten sie vor den Mädchen nicht zugeben. »Warum sollten wir? Ihr kennt doch den Weg – lauft doch allein dorthin.«
    »Aber wir haben Angst, so ganz allein. Was ist mit den Tieren?«
    Die Jungen wollten den Mädchen nicht zeigen, dass sie keine Ahnung hatten, wo sie sich im Verhältnis zur Küste der Frauen befanden. Doch die Mädchen hatten es schon erraten. Wie machten sie das? Es war unheimlich, dass weibliche Wesen offenbar Gedanken lesen konnten.
     
    Diese Fähigkeit ist jedenfalls nicht verloren gegangen! Sagt der Historiker der Gegenwart.
     
    »Was ist los mit euch?«, fragten die Mädchen. »Warum wisst ihr anscheinend nie, wo ihr gerade seid?« Sie erinnerten sich, wie einige Jungen, darunter auch zwei aus der gegenwärtigen Gruppe, im Tunnel immer wieder im Kreis gelaufen waren, ohne die Landmarken zu bemerken, bis eines der Mädchen sagte: »Seht ihr denn nicht? Wir sind schon öfter durch dieses Stück Tunnel gelaufen!«
    Und jetzt schienen die Jungen tatsächlich nicht zu wissen, wo sie sich befanden.
    »Seht ihr denn nicht die Kluft?«, sagte ein Mädchen und zeigte darauf. Und tatsächlich, hinter den Bäumen ragte ganz in der Nähe die große Klippe der Kluft empor.
    Die Männer starrten sie an. Ja, das ist die Kluft. Das bedeutete … hatte Horsa sie gesehen?
    Die Männer sagten, sie seien hungrig und würden jagen gehen.
    »Wahrscheinlich wollt ihr dann Feuer machen«, sagten die Mädchen. »Was für eine kluge Idee, dann kommen nämlich sofort alle Tiere zu uns.«
    Genau das hatten die Jungen vorgehabt, aber die Mädchen wollten es auf keinen Fall. Weil die Mädchen mittlerweile in der Nähe der Lichtung Früchte gefunden hatten, aßen sie alle genug davon, um ihren Hunger zu stillen. Als es dunkel wurde, zogen sich die Mädchen auf einen Baum zurück, während die Jungen mit gezückten Waffen darunter lagerten.
    Ein Mädchen sagte, dass sie die Jungen im Auge behalten müssten, weil sie sich wahrscheinlich bei der ersten Gelegenheit ohne sie davonschleichen würden. Und als der Morgen dämmerte, waren sie tatsächlich fort.
    »Sind wir ihnen gleichgültig?«,
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