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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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fragten die Mädchen recht wehmütig. Doch dann sprachen sie wieder über ihr Lieblingsthema, dass sich die Jungen ihnen gegenüber so ungeschickt verhielten, dass sie oft so schwierig waren und ihnen manchmal jedes Gefühl zu fehlen schien oder sogar der Verstand.
    Dann machten sich die Mädchen auf den Weg zur Küste, voller Angst, denn sie besaßen keine Waffen. Pfade und Wege waren überwachsen, und hier und da waren Bäume umgefallen. Es war kein angenehmer Marsch.
    Sie berichteten Maronna, die Männer stünden noch immer unter Horsas Führung und seien ganz in der Nähe, die Mädchen sollten sich aber nicht zu viele Hoffnungen machen, denn die Männer wüssten offenbar nicht, wie nah sie ihrem Zuhause seien. Die drei Jäger waren inzwischen auf dem Weg zurück zu Horsa, wobei sie sich die Zeit nahmen, an dem einen oder anderen Höhleneingang stehen zu bleiben, auf einen schwierigen Baum zu klettern oder einem gefährlich aussehenden Eber nachzustellen.
    Als Horsa ihnen besorgte Fragen stellte und Vorwürfe machte, begriffen sie, dass sie zu lange fort gewesen waren. Horsa hatte ihnen andere junge Männer nachgesandt, und zwar in die Tunnel: Ob sie denn nicht gesagt hätten, dass sie dorthin gehen würden? Ja, das hatten sie gesagt, doch beim Anblick der Bäume,
ihrer
Bäume, hätten sie nicht widerstehen können.
    »Die Mädchen sind auch böse mit uns«, sagten sie mürrisch und klangen wie Kinder. Im Grunde waren sie auch nichts anderes. Wie alt sie wohl waren? Fünfzehn? Sechzehn? Jünger? In diesem Alter hält man es bei unseren jungen Männern für angebracht, dass sie überlegen, ob sie zur Armee gehen oder sich einen Förderer suchen sollen. Horsa war um einiges älter als die anderen, aber wahrscheinlich auch erst Anfang zwanzig.
    »Die Mädchen sind so böse mit uns, sie sind so missmutig«, knurrten sie.
    Horsa grinste und sagte, ihr Besuch bei den Frauen sei längst überfällig.
    »Sie werden nur nörgeln und klagen.«
    »Und wer hat gesagt, er wird verrückt, wenn er nicht bald ein Mädchen kriegt?«
    Allgemeines Grinsen. Von diesem verlegenen Grinsen ist hier zum ersten Mal in den Aufzeichnungen die Rede. Wir müssen uns fragen, wie viel früher es aufgekommen ist. Es ist nämlich die Grundlage aller Komödien – zum Beispiel ist uns bekannt, was die Griechen komisch fanden. Aber vor langer, vor so langer Zeit?
    »Ich will nicht, dass ihr wieder fortgeht«, sagte Horsa. »Wenn ihr jetzt fortgeht, brechen die anderen auch gleich nach ihrer Rückkehr wieder auf. Ich will, dass wir alle zusammenbleiben und zusammen zu den Mädchen gehen. Wenn ihr unseren alten Platz im Wald gesehen habt, sind die Frauen nicht weit weg.«
    »Ja, und dort ist auch die Kluft.«
    Es fiel Horsa schwer, die alte, wohlbekannte Landmarke von seinem Standort aus zu erkennen. Und als er sie schließlich sah, zweifelte er kurz.
    Horsa war nicht wild darauf, Maronna von den Jungen zu erzählen, die auf der Strecke geblieben waren. Und die anderen hatte gerade eine Standpauke daran erinnert, wie schwierig Mädchen manchmal sein konnten.
    »Können wir wenigstens jagen gehen?«, fragten die Jungen eindringlich und versprachen, vor Einbruch der Nacht zurück zu sein.
    Ich würde mir gern vorstellen, dass die jungen Stimmen fürsorglich klangen. Schließlich hatten sie Horsa entgegen ihrem Versprechen für einige Tage allein gelassen. Ob er sich einsam gefühlt hatte? – Vielleicht fragten sie sich das.
    »Ja, geht, aber kommt wieder, wenn es dunkel wird.«
    Ob er sich einsam fühlte, weil er so oft zurückgelassen wurde und durch das verkrüppelte Bein leicht behindert war? Dürfen wir dieses Wort und andere aus unserem Wortschatz für Gefühle benutzen? Wir gehen davon aus, dass diese Menschen empfanden wie wir, weil sie uns in Gestalt und auch ansonsten so ähnlich waren. Vielleicht hat niemand sie die Einsamkeit gelehrt? Ist diese Frage so lächerlich? Oder den Kummer? In den Aufzeichnungen ist zum Beispiel kaum von Liebe die Rede, wie wir das Wort verwenden, oder von Eifersucht – gar nichts über Eifersucht, obwohl dieses Gefühl so weit verbreitet ist, dass man Vögel im Streit um eine Partnerin beobachten kann. Dieses gesamte Gebiet der Spekulation ist schwierig für mich. Man wird geneckt, herausgefordert, und dann mit seinen Fragen alleingelassen. Wie unsere Musterbeispiele, die Griechen,
empfanden
, wissen wir – ihre Theaterstücke erzählen davon.
    Wenn jene Alten der Vorzeit Stücke geschrieben hätten, dann
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