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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik
Autoren: Noah Gordon
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linken Seite der Schlagader.
    »Da hätten wir’s«, murmelte Silverstone.
    Es ließ Blut in die Eingeweide sickern, die Ursache ihrer Blutung.
    »Holen wir’s heraus«, sagte er. Miteinander beugten sie sich über Helen Fultz’ große pulsierende Aorta.
    Miriam Parkhurst kam in das Büro des OP geeilt, nachdem Silverstone Helen in den Erholungsraum gebracht hatte. Sie hörte sich Meomartinos Bericht an, und versuchte, ihre Erleichterung zu verbergen. »Ich bin froh, daß wir wenigstens jemandem vom Stab helfen konnten. Haben Sie Retentionsnähte verwendet?«
    »Ja«, sagte er. »Wie ist es mit Ihrem Notfall im Mount Auburn gegangen?«
    Sie lächelte ihn an. »Wir hatten beide einen erfolgreichen Abend.«
    »Das freut mich.«
    »Rafe, was soll aus Harland Longwood werden?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Ich liebe diesen alten Mann wirklich«, sagte sie müde. Sie winkte ihm gute Nacht zu und ging.
    Meomartino saß da und horchte durch die offenen Türen den Schwestern zu, die leise miteinander plauderten, während sie den Operationssaal reinigten.
    Sonst war nichts zu hören.
    Er schloß die Augen. Er war verschwitzt und roch nach Schweiß, aber er fühlte sich fast wie nach einem Koitus, erlöst, erfüllt, durch den Liebesakt berechtigt, einen Platz auf der Erde zu beanspruchen. Ihm fiel ein, daß es stimmte, was Liz einmal zu ihm gesagt hatte: das Krankenhaus beanspruchte ihn in einem Maß, wie es eine menschliche Geliebte nicht vermochte.
    Schäbige alte Schlampe, dachte er amüsiert.
    Als er die Augen öffnete, brachte ihn die Idee in Verlegenheit und er verfolgte sie nicht weiter. Er streifte die grüne Stoffkappe ab und ließ sie auf den Boden fallen. Auf dem Tisch stand ein Tonbandgerät, er hob das Mikrophon ab, lehnte sich im Stuhl zurück und legte die Füße, die noch immer in den schwarzen Operationsstiefeln steckten, neben den Apparat auf den Tisch.
    Er drückte den Knopf am Mikrophon und begann den Operationsbericht zu diktieren.
     
    Es regnete. Den ganzen nächsten Tag und bis in den Abend hinein fiel jener Regen, den die Farmer in New England zunächst mit Freude begrüßten, dann mit Angst und schließlich mit Zorn verfolgten, je mehr die Saat weggewaschen wurde. Als er in der Nacht dalag und dem Regen lauschte, schwebte sie in einem gelbseidenen Nachthemd wie ein heller Schatten in das dunkle Zimmer.
    »Was ist los? Bist du böse auf mich?« fragte sie.
    »Nein.«
    »Rafe, ich muß mich ändern oder zugrunde gehen«, sagte sie.
    »Wann bist du zu dieser Erkenntnis gekommen?« fragte er nicht unfreundlich.
    »Ich mache dir keinen Vorwurf, daß du mich haßt.«
    »Ich hasse dich picht, Liz.«
    »Wenn wir bloß die Uhr zurückdrehen und unsere Fehler ungeschehen machen könnten.«
    »Das wäre schön, nicht?«
    Draußen trommelte der Regen immer stärker an die Scheiben.
    »Mein Haar ist wieder fast ganz nachgewachsen. Mein eigenes Haar.«
    »Es ist fein und weich«, sagte er und streichelte es.
    »Du warst so gut zu mir. Es tut mir so leid, Rafe.«
    »Sei still.« Er drehte sich herum und nahm sie in die Arme.
    »Erinnerst du dich an jene erste Regennacht?«
    »Ja«, sagte er.
    »Ich möchte so tun, als ob«, sagte sie. »Darf ich?«
    »Was?«
    »Als wärst du wieder ein Junge und ich ein junges Mädchen, als hätten wir es noch nie getan.«
    »O Liz.«
    »Bitte, bitte, tu so, als hätten wir beide nicht die geringste Erfahrung.«
    Also spielten sie wie Kinder, und er erlebte wieder, schemenhaft, halb vergessen, erste Entdeckung, erste Angst. »Amoroso«, nannte sie ihn schließlich. »Delicioso, mágico, marido«, Worte, die er sie in den ersten Wochen ihrer Ehe gelehrt hatte.
    Nachher lachte er, und sie wandte sich ab und weinte bitterlich. Er stand auf, öffnete die Balkontüren, ging auf den kleinen Balkon in den Regen hinaus und brach eine Blüte in einem Blumentopf von ihrem Stengel, eine Ringelblume, kam zurück und legte sie auf ihren Nabel.
    »Sie ist kalt und naß«, klagte sie, ließ es jedoch zu und hörte zu weinen auf.
    »Verzeihst du mir? Läßt du mich versuchen, ganz von vorn zu beginnen?« fragte sie.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    »Aber verzeihst du mir?«
    »Schlafe.«
    »Sag ja.«
    »Ja«, sagte er froh. Er würde Kittredge anrufen, dachte er schläfrig, und ihm sagen, daß seine Dienste nicht mehr gebraucht würden.
    Er schlief ein, ihre Hand haltend, und als er erwachte, war es Morgen. In der Nacht hatte sie sich herumgerollt, die Blume war zerdrückt, auf dem
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