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Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
Autoren: Kelly McCullough
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heißen Stiefel auf das Pflaster. Die Gardisten waren nicht dumm, also ging ich davon aus, dass sie Läufer ausgesandt hatten, um die Gasse von beiden Seiten zu blockieren, doch das würde mich nicht aufhalten. Ich konnte immer noch auf die Dächer ausweichen oder mich von Triss ummanteln lassen und im Schatten verschwinden. Aber keine dieser Vorgehensweisen würde die Aufmerksamkeit von unserer Dyadenfreundin ablenken, also war ich entschlossen, so lange wie möglich davon abzusehen.
    Als ich die Straße erreicht hatte, konnte ich bereits die Verfolger in der Gasse hinter mir hören. Triss’ Sinne pickten die hellen Punkte der Magierlaternen der Gardisten aus dem Dunkel heraus, als sie hinter mir her rannten, aber ihre Träger konnte ich nicht wirklich sehen. Nicht, ohne mich umzudrehen und meine eigenen Augen zu benutzen. Triss’ Nichtsehen funktionierte eben anders. Die Laternen blendeten seine Sicht auf den Bereich unmittelbar hinter den Lichtern gänzlich aus.
    In gewisser Weise ähnelte Triss’ Analogon zu unserem Sehvermögen weniger dem Sehen als dem Tasten oder vielleicht dem Hören. Die Klingenmeister im Tempel hatten uns gelehrt, dass Fledermäuse mit den Ohren sehen. Sie schreien und lauschen auf das zurückhallende Echo, das ihnen von der Welt um sie herum kündet. Strukturen sind wichtig, ebenso Kanten, weich und hart, uneben oder glatt, Farben nicht.
    Ich weiß nicht, woher die Meister das mit den Fledermäusen wussten   – vermutlich, weil sie Magier ausgefragt hatten, deren Vertraute Fledermäuse waren   –, aber das ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist die Übereinstimmung mit dem Nichtsehen der Finsterlinge. Triss und seinesgleichen sehen, indem sie die   … nennen wir es, die Schattenechos, die sie eher fühlen als hören, auswerten. Das ist wohl die beste Beschreibung, die das menschliche Vokabular für diesen Vorgang hergibt. Alles, was man darüber wirklich wissen sollte, ist, dass sie die Dinge umso besser wahrnehmen, je dunkler es ist, und dass in ihrem Nichtsehen nichts so erscheint, wie Ihr und ich es mit unseren menschlichen Augen erfassen würden.
    Wie der Mechanismus dahinter auch aussehen mag, diese Wahrnehmung lieferte mir einen surrealen Blick auf die Stadt. Umso mehr, da der menschliche Geist nicht darauf ausgelegt ist, gleichzeitig in alle Richtungen zu schauen. Man muss sichgewissermaßen darauf konzentrieren, wohin man geht, während man zugleich einen Teil seines Geistes dafür reserviert, beständig einen rotierenden Blick auf die ganze Umgebung zu werfen.

    Den letzten meiner Verfolger hatte ich vor ungefähr einer Viertelmeile hinter mir gelassen, und ich hatte gerade kehrtgemacht, um zu der Dyade zurückzukehren, als sich die Straße erhob, um mich in Empfang zu nehmen, aber nicht, um mir mit Rückenwind zur Seite zu stehen. Nein, diese Straße war eindeutig feindselig. Die mit Schlamm bedeckten Pflastersteine unter meinem hinteren Fuß glitten einfach fort, als ich mich abstoßen wollte, und beraubten meinem Laufschritt all seiner Kraft. Zugleich bäumte sich die Straße vor mir auf wie eine niedrige Steinwelle. Ich war bereits aus dem Gleichgewicht geraten, als sie mich an den Oberschenkeln erwischte. Ich stürzte über das Hindernis, als wäre ich mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Steinmauer gerannt.
    Ich landete mehr oder weniger auf dem Kopf und knallte dann auf die Seite. Jegliche Luft entwich aus meinem Körper. Auf einer saubereren Straße hätte ich mir vermutlich ein paar Rippen oder auch den Hals gebrochen, aber der angehäufte Dreck mehrerer Jahre dämpfte meinen Sturz. Dennoch war ich durch den Aufprall halb von Sinnen und verlor die Kontrolle über Triss’ Geist und Sinne. Und dann tat Triss etwas, das er fast nie tat.
    Normalerweise fühlt es sich, wenn Triss mich mit einer zweiten Haut aus Schatten umhüllt, an, als würde eine dünne Schicht kühler Seide meinen ganzen Körper bedecken. Nun aber spannte und verhärtete sich diese Haut, bis sie eher an Chitin erinnerte. Und dann fing sie an sich zu bewegen, drehte mich erst um und hob mich dann auf Hände und Knie. Stellt Euch einfach eineleere Rüstung vor, die sich aus eigener Kraft bewegt. Und nun stellt Euch eine Person in dieser Rüstung vor, die sich mit ihr bewegt, allerdings nicht aus eigenem Willen. Das war meine Situation, als Triss uns auf das nächste Gebäude zukrabbeln ließ   – ein heruntergekommenes Wohnhaus.
    Ich war immer noch ziemlich benommen und wusste nicht recht, was
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