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Die Klinge: Roman (German Edition)

Die Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge: Roman (German Edition)
Autoren: Richard Laymon
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sagte Emily Jean.
    »Es ist nicht schlecht«, meinte er. Warum sollte er erzählen, dass die einzigen Bücher, mit denen er im Moment arbeitete, Rechnungsbücher waren?
    »Ich liebe Bücher«, sagte Emily Jean. »Lieben Sie Bücher auch, Mr. Bryant?«
    »Manche.«
    »Ich vergöttere Tennessee Williams. Sind Sie mit seinem Werk vertraut? Ich finde es so grandios und tragisch und … lyrisch.«
    »Ja, das stimmt. Aber ich muss jetzt wirklich gehen. Wir sehen uns später, okay?«
    »Oh.« Verdutzt blinzelnd, ließ sie seinen Arm los. »Natürlich. Wir sehen uns später, bestimmt.«
    Lester zwang sich zu einem Lächeln, wandte sich um und ging zum Bad.
    Er war froh, ihr entkommen zu sein.
    Diese Frau hatte ihren Zenit überschritten, ein trauriger Fall.
    Er schloss die Badezimmertür ab und trat an die Toilette.
    Ich sollte nicht so hart zu ihr sein, dachte er, als er den Reißverschluss herunterzog. Wenigstens ist sie nett zu mir.
    Im Gegensatz zu allen anderen.
    Außer vielleicht diesem Ian. Der schien ein ganz guter Kerl zu sein.
    Aber die anderen waren Snobs, die Lester ignorierten.
    Nur weil ich für ein bisschen Kleingeld einen Drecksjob mache.
    Ein Haufen Arschlöcher.
    Lester urinierte zu Ende und spülte. Ehe er die Tür öff nete, vergewisserte er sich, dass sein Reißverschluss hoch gezogen war.
    Das würde mir gerade noch fehlen, dachte er. Mit offenem Hosenschlitz herumzulaufen.
    Als ob das jemand bemerken würde. Ich bin der Unsichtbare.
    Im Wohnzimmer blickte er sich nach Ian um. Er entdeckte den großen, ernsten Mann in einer Ecke, wo er mit Helen und Ronald sprach.
    Helen sah gut aus. Keck, mit ihrer Himmelfahrtsnase und dem Peter-Pan-Haarschnitt. Sexy, in dem engen Rock und dem Rollkragenpullover. Der Pullover spannte sich über ihre Brüste und betonte sie stark.
    Sie stand so nah bei Ian, dass ihre rechte Brust beinahe seinen Arm berührte.
    Absichtlich?
    Natürlich ist es Absicht, dachte Lester.
    Doch Ian schien sich der Nähe ihrer Brust nicht bewusst zu sein.
    Es sei denn, er ist ein guter Schauspieler.
    Ronald war derjenige, dessen Aufmerksamkeit sich auf Helens Brüste richtete. Er war ein Englischlehrer, aber nicht an der Highschool. Vor ein paar Jahren, nachdem er Dale geheiratet hatte, war er von der Grand Beach High ans College gewechselt. Aber er war ehrenamtliches Mitglied des Veranstaltungskomitees geblieben und tauchte bei jedem Treffen auf. Offenbar feierte er genauso gern, wie er lehrte. Er hielt sich für einen Experten auf jedem Gebiet und schwang ständig Reden über irgendetwas. Nun, während er weise nickte, redete und zuhörte, sah Lester, wie er verstohlene Blicke auf Helens Brüste warf.
    Am liebsten würde er ihr wahrscheinlich den Pullover vom Leib reißen, dachte Lester.
    Viel Glück, Kumpel.
    Denn unter dem Pullover würde er einen großen, steifen Büstenhalter mit vier Haken am Rücken vorfinden, und unter dem BH erwarteten ihn zwei ganz reizende Eisberge.
    Oder vielleicht auch nicht, dachte Lester. Vielleicht ist sie nur bei mir so eine frigide Zicke.
    Angewidert wandte er den Blick von seiner Frau und den beiden Männern ab. Er sah Emily Jean auf dem Sofa sitzen, wo sie an ihrem Martini nippte und mit Dale sprach.
    Da Dale Ronald den Rücken zugekehrt hatte, bemerkte sie nicht, wie ihr Mann Helen begaffte.
    Vielleicht wäre es ihr auch egal.
    Sie saß dort, hörte Emily Jean mit ziemlich spöttischem Gesichtsausdruck zu und hielt einen Scotch in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand. Wie immer steckte ihre Zigarette in einer langen, dünnen, offenbar vergoldeten Spitze.
    Groß und schlank und elegant, wie Dale war, hätte man sie fast als schön bezeichnen können. Doch sie hatte etwas Hartes an sich.
    Haben sie das nicht alle?, überlegte Lester.
    Nein, nicht alle. Emily Jean hatte nichts Hartes an sich. Sie wirkte ein wenig verloren und verletzlich, aber gewiss nicht hart.
    Helen jedoch schon. Und Dale auch. Die meisten von ihnen, vor allem die Frauen.
    Vielleicht lag es am Beruf.
    Äußerst deprimiert ging Lester hinaus zum Terrassentisch, auf dem die Getränke standen. Er füllte Eis in sein Glas und goss sich aus der Plastikkanne einen Screwdriver ein. Dann kehrte er ins Haus zurück. Er setzte sich in seinen Fernsehsessel und schlürfte den Drink.
    Scheiß auf sie alle, dachte er und wünschte, sie würden nach Hause gehen.

6   DER TOAST
    »Das Problem fängt schon in den unteren Klassen an«, sagte Helen so nachdrücklich, als wäre es nicht ihre
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