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Die Klinge des Löwen 02

Die Klinge des Löwen 02

Titel: Die Klinge des Löwen 02
Autoren: Walter Weil
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mußten die Reisenden sich
gegen die Nässe von oben durch Kappe und Mantel schützen,
weil von den mit tauendem Schnee beladenen Bäumen Kaskaden von
Wassertropfen zur Erde fielen, so daß es im Wald rauschte, als
regne es in Strömen.
    Der
Kamm des Höhenrückens, auf dem sie entlangzogen, verlief
nach Überschreiten des höchsten Punktes zwar sanft, aber
stetig abwärts. Die Rosse rutschten im langsam tauenden Schnee
häufig, und mitunter sah es besonders für die Frauen recht
gefährlich aus.
    Dietrich
zog es schließlich vor, alle absitzen zu lassen und vorläufig
zu Fuß weiterzugehen. Er wollte nicht riskieren, daß
eines der Reitpferde auf der abhältigen Strecke zu Fall käme
und womöglich Roß und Reiter dabei verletzt wurden.
Klein-Bernhard, den Dietrich im Sattel festgebunden hatte, durfte auf
dessen Pferd reiten, damit die beiden Damen lediglich ihr eigenes
Reittier am Zügel führen mußten und sich auf den
unsicheren Weg konzentrieren konnten. Das war ein Erlebnis für
den Dreikäsehoch - allein wie ein echter Rittersmann auf hohem
Roß! Seine Begeisterung schien keine Grenzen zu kennen, und
immer wieder stiegen seine Jauchzer in den blauen Himmel.
    Für
Dietrich und Giselbert allerdings gestaltete sich der Marsch zu Fuß
recht mühsam, und sie hatten es schwer, mit ihren eigenen Rossen
und den Packpferden am Zügel in dem nassen Schnee auf den Beinen
zu bleiben. Das Gleichgewicht zu halten und die Tiere auf dem
tückischen Untergrund sicher zu führen, verlangte von ihnen
fast schon akrobatische Fähigkeiten. Besonders der lange
Giselbert hatte damit seine Schwierigkeiten. Dietrich erlebte zum
erstenmal, wie der wackere Krieger seine sprichwörtliche Ruhe
verlor und schließlich bei jedem Rutscher einen greulichen
Fluch ausstieß.
    Als
Begleitmusik rieselte und gurgelte unter ihren Füßen das
Schmelzwasser der in der warmen Sonne langsam dahinschwindenden
Schneemassen, die alles in blendendes Weiß tauchte. Meisen
riefen mit ihren hellen Glockenstimmen vergnügt den für
kurze Zeit verdrängten Frühling zurück. Vereinzelte
Wildfährten im Schnee, die von Reh und Fuchs herrührten,
kreuzten den Weg der Reisenden. Einmal begegneten sie der
ausgeprägten Spur eines Auerochsen.
    Endlich
ging das Gefälle in ebeneres Gelände über. Zwar kamen
sie auch weiterhin nur langsam voran, aber das spielte jetzt keine
Rolle mehr. Der Winterberg war höchstens noch eine Meile
entfernt.
    Sie
erreichten ihr Ziel wohlbehalten kurz vor Mittag. Inzwischen
erschienen in der vorher geschlossenen Schneedecke die ersten Flächen
braunen Waldbodens. An einem solchen schneefreien Abschnitt, der
direkt dem warmen Sonnenlicht ausgesetzt und daher bereits ziemlich
abgetrocknet war, machten sie Halt. Sie richteten sich für eine
längere Wartezeit ein, da nicht abzuschätzen war, wann
Roland eintreffen würde. Dietrich und Giselbert befreiten die
Rosse von Sätteln und Traglasten, banden sie an Bäume und
gaben ihnen von dem mitgeführtem Futter zu fressen.
    Währenddessen
gingen die beiden Frauen mit dem Knaben in der warmen Sonne auf und
ab, um ihre von dem anstrengenden Fußmarsch auf dem rutschigen
Untergrund verkrampften Beinmuskeln zu entspannen.
    Ein
spitzer, erschrocken klingender Laut Idas ließ Dietrich
aufhorchen, als er eben dabei war, sein Streitroß zu versorgen.
Er sah zu ihr hin und folgte ihrem entsetzten Blick, mit dem sie in
die Richtung starrte, aus der sie gekommen waren. Hundert Schritte
entfernt stand wie ein riesiges Monument reglos ein schwarzbrauner
Ur. Der massige Kopf des Auerochsbullen mit den seitwärts
verlaufenden armlangen Hörnern und deren dunklen, nach innen
gebogenen Spitzen war in gespannter Aufmerksamkeit auf die beiden
Frauen und das Kind gerichtet. Die beiden Männer und die unruhig
in seine Richtung äugenden Pferde schien er nicht zu beachten.
Dietrich schätzte, daß der Stier wenigstens anderthalb
Pferdelängen maß und daß er in der Höhe selbst
einen großgewachsenen Mann überragte.
    „ Zieht
euch langsam in den Jungwald zurück. Das Dickicht ist direkt
hinter euch“, rief Dietrich den Frauen mit unterdrückter
Stimme zu. „Aber nicht rennen!“
    Blitzartig
kam ihm die Bemerkung jener Kammerfrau in den Sinn, die bei dem
Festmahl auf der Husenburg ein Ungeheuer mit einem Stierleib erwähnt
hatte. Das war also keine Ausgeburt einer durch Aberglauben
übersteigerten Phantasie, sondern hatte einen völlig
natürlichen Ursprung! Dietrich wurde es im Zeitraum weniger
Herzschläge
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