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Die Klinge des Löwen 02

Die Klinge des Löwen 02

Titel: Die Klinge des Löwen 02
Autoren: Walter Weil
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klar, daß sie es hier mit einer handfesten und
greifbaren Gefahr zu tun hatten und nicht mit einer von leicht zu
beeindruckenden Menschen fabrizierten Höllengestalt! Wie würde
der Bulle sich verhalten? Er war offensichtlich ebenso überrascht
wie die Menschen, die er hier plötzlich antraf.
    Das
muß das Vieh sein, dessen Spur wir heute morgen sahen, dachte
Dietrich und überlegte fieberhaft, wie sie sich angesichts des
riesigen 'Fleischberges' verhalten sollten.
    „ Was
machen wir?“ fragte Giselbert in seiner bedächtigen Art.
Er war jetzt, nach dem glücklichen Ende seiner Rutschpartie,
wieder ganz der alte. Die Ruhe hatte ihn wieder, und die brauchte er
auch angesichts dieser unmittelbar drohenden Gefahr.
    Mit
einem kurzen Blick sah Dietrich, daß die beiden Frauen sich mit
Klein-Bernhard bereits inmitten der Ansammlung dicht stehender
Jungtannen versteckt hatten und so der Aufmerksamkeit des Urs
entzogen waren. Auch der leichte Wind stand günstig für
sie, er wehte aus der Richtung des Bullen, so daß dieser keine
Witterung aufnehmen konnte.
    „ Abwarten“,
murmelte Dietrich. „Falls er näher kommt, müssen wir
als erstes die Rosse losbinden.“
    Giselbert
schaute skeptisch. „Sie werden davonrennen, wenn das Vieh
angreift.“
    „ Das
müssen wir riskieren. Es ist besser, sie später mühsam
wieder einzufangen als sie zu verlieren.“
    In
diesem Augenblick drehte der Auerochse sich um und entfernte sich
langsam.
    Aufatmend
sah Giselbert ihm nach und blies mit geblähten Backen die Luft
aus. „Gott sei's gepriesen, den wären wir los!“
    „ Meinst
du?“ sagte Dietrich zweifelnd. „Es dürfte ratsam
sein, die Augen offen zu halten. Mir wurde einst erzählt, diese
Viecher seien mitunter ebenso stur wie angriffslustig.“
    Inzwischen
kamen Ida und die Zofe wieder zum Vorschein. Ida hatte den Knaben auf
dem Arm und blickte besorgt um sich, als sie sich den Männern
näherte. „Ist er fort?“
    „ Ja,
er hat sich verzogen.“ Dietrich lächelte ihr zu, um sie zu
beruhigen.
    „ Was
man so alles erlebt in dieser Wildnis!“ sagte sie. "Was
war das für ein Ungeheuer?"
    "Ein
Auer, Gräfin", entgegnete Dietrich. "Man bekommt so
ein Tier fast nie zu Gesicht."
    "Ich
hörte sagen, daß solche Viecher früher häufiger
waren", versetzte Giselbert. "Heute sei es sehr selten, daß
man noch einem Ur begegnet."
    "Na,
mir reicht diese eine Begegnung!" erwiderte Ida und stellte den
Knaben auf die Beine.
    „ Geh
spielen, Bernhard. Du, Bertha, achtest darauf, daß er sich
nicht weit entfernt!“
    Mit
kritischem Blick verfolgte sie, wie die beiden einen trockenen Platz
in der Nähe aufsuchten und sich dort niederließen. Dann
wandte sie sich jäh an Dietrich, während Giselbert halb
verlegen daneben stand, unschlüssig, was er tun sollte.
    „ Mein
Bedarf an Abenteuern ist allmählich gedeckt“, sagte Ida in
ärgerlichem Ton. Sie musterte den Ritter mit vorwurfsvollen
Augen, als wäre er verantwortlich für all die
Mißhelligkeiten, denen sie bisher ausgesetzt waren.
    Er
nickte und machte eine vage Geste des Bedauerns, wobei er sie jedoch
mit einem scharfen Blick aus seinen graublauen Augen bedachte. „Es
tut mir leid, daß soviel Unvorhergesehenes passierte. Aber
damit mußten wir rechnen, denn dies ist keine Vergnügungsreise,
wie Ihr wißt. Da wir gezwungen sind, abseits der üblichen
Straßen mühsam unseren Weg durch die Wildnis zu suchen,
begegnet uns die Unbequemlichkeit auf Schritt und Tritt. Das hängt
auch damit zusammen, daß die Bedeckung zu Eurem Schutz nur aus
mir und Giselbert besteht. Das ist entsetzlich wenig, Gräfin.“
    Er
verstummte für einen Augenblick und maß sie erneut mit
einem Blick, der deutlich seinen Groll über ihre ärgerliche
Bemerkung erkennen ließ. Giselbert, der die aufkommende zornige
Stimmung seines Herrn zu spüren schien, hatte sich unauffällig
entfernt und machte sich bei den Pferden zu schaffen.
    „ Es
war schließlich der Wille Eures Gemahls“, fuhr Dietrich
finster fort, „Euch mit derart spärlicher Bedeckung reisen
zu lassen, vergeßt das nicht. Mag sein, daß er recht
hatte mit seiner Meinung, eine große Reisegruppe würde die
Aufmerksamkeit des Geroldseckers auf sich ziehen. Aber für uns
bedeutet das eben ein hohes Maß an Beschwernis. Das konnte Euer
Gemahl vielleicht nicht wissen.“
    „ Nein,
das konnte er nicht“, entgegnete Ida mit seidenweicher Stimme.
Dieser neue Ton verwirrte ihn. Sie schien plötzlich bemüht,
Dietrich zu besänftigen, und legte
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