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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten
Autoren: Michael Streck
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außerhalb |188| des Klimaschutzmarkts zu gehen wie Kapitalanlagen in Forstwirtschaft.
    Auf dem Weg nach Kopenhagen könnten Länder wie China, Indien und Brasilien jedoch schnell verprellt werden, wenn die EU ernst macht mit ihrem Ansinnen, nach 2013 einen grünen Zoll einzuführen für Importwaren wie Stahl, Zement, Papier oder Aluminium, die, in der EU produziert, dem Emissionshandel unterliegen und damit teurer wären. Dieser Schritt soll Staaten wie China bewegen, sich internationalen Emissionszielen zu unterwerfen. Er könnte aber größeren Widerstand, Vergeltung und einen grünen Handelskrieg provozieren – eine Vorstellung, die auch europäischen Firmen nicht behagt. Unabhängig davon, ob solch Ökoprotektionismus Weltwirtschaft und Klimaschutz mehr schadet, wie Kritiker warnen, ist höchst zweifelhaft, ob ein Klimazoll vor der Welthandelsorganisation WTO juristisch bestehen könnte. Hilfreicher wäre es vielleicht, eine andere Idee aufzugreifen und statt Strafen positive Anreize für aufstrebende Industrienationen und
Entwicklungsländer
zu schaffen. Firmen, die klimafreundlich hergestellte Waren in die EU importieren, erhalten Emissionsrechte und somit zusätzliche Einnahmen.
    Auch wenn der Emissionshandel in den kommenden Jahren geografisch und sektoral weiter wachsen wird – die USA werden ihn wahrscheinlich nach dem Abgang von George W. Bush auch für CO2-Emissionen starten, Australien noch 2008; die EU will ihn ab 2011 auf den Flugverkehr ausdehnen, und diskutiert wird, auch die Containerschifffahrt einzubeziehen –, ist er nur ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Viele
Wirtschaftsbereiche
wie Immobilien, Landwirtschaft, Dienstleistungen und Autoverkehr müssen über andere Wege einbezogen werden. Die Energieeffizienz zu steigern, ist immer noch einer der erfolgversprechendsten. Die Beratungsfirma McKinsey |189| kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass 50 Prozent des Wachstums der weltweiten Energienachfrage in den nächsten 15 Jahren durch effizientere Technik und Produktionsprozesse reduziert werden könnte, ohne das Wirtschaftswachstum
auszubremsen. Regierungen können dies durch eine
nachfragegestützte
Politik beschleunigen, indem sie Bauvorschriften, Gebäude- und Energiestandards verschärfen.
    Ein schmerzfreier Weg für den Hausgebrauch: weniger Papier verbrauchen. Es ist ganz einfach, privat und beruflich, funktioniert ohne neue Gesetze, ohne persönliches CO2-Konto, ohne Spaßverzicht, ohne großen Aufwand und spart Geld. Der Papierkonsum steigt weltweit unaufhaltsam. Der
Produktionsaufwand
ist hoch, die Verfallszeit gering. Die Papierindustrie belastet das Klima gleich doppelt, durch das Roden von Bäumen und die energieintensive Herstellung. Deutschland ist beim Pro-Kopf-Verbrauch von Papier Vizeweltmeister hinter den USA mit 252 Kilogramm im Jahr 2006, beim Gesamtverbrauch liegen wir auf Platz vier. Wir verbrauchen so viel Papier wie Lateinamerika und Afrika zusammen. Würde Deutschland seinen Verbrauch in zehn Jahren halbieren, müssten jährlich 300 000 Hektar Wald weniger geschlagen und der
Energieverbrauch
könnte um 30 000 Gigawattstunden reduziert werden.
     
    *
     
    Auch wenn Mayer Hillman der menschlichen
Wandlungsfähigkeit
, wie ich finde, zu Unrecht misstraut, und seine Idee vom persönlichen Kohlendioxidkonto wohl eher als
volkswirtschaftliche
Zielgröße denn verbindliche Rationierung taugt, hilft seine Radikalität zu verdeutlichen, worum es geht: um Luxusemissionen versus Lebensemissionen. Darum, dass die einen reduzieren müssen, damit die anderen zulegen können. |190| Die Rechnung ist natürlich, wie dargestellt, nicht so einfach
    in einer vernetzten Welt. Maschinen, in Frankreich gebaut, werden in Indien eingesetzt, auch um dort den Wohlstand zu mehren. Moderne Kohlekraftwerke aus Deutschland produzieren in China Strom und sorgen für saubere Luft. Mobiltelefone aus Finnland helfen kleinen Unternehmen in Afrika.
    Ja, Klimaschutz wirft die Gerechtigkeitsfrage auf und eine moralische Frage. Und die Zeitfrage. Werden wir uns ändern, bevor es zu spät ist? Niemand hat darauf eine sichere Antwort.
    Wir wissen jedoch, was den Wandel bringt. Preise, Gesetze und bessere Technik. Je höher der Ölpreis, umso eher stellen sich Wirtschaft und Gesellschaft auf andere Energieträger um. Es ist kaum zu glauben, doch es gibt laut Washington Post deutliche Anzeichen, dass die Vereinigten Staaten sich von ihrer Ölsucht befreien und das Ende der Monsterautos naht.
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