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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten
Autoren: Michael Streck
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London im Taxi und murmelte etwas von Klimawandel. Es war, als öffneten sich beim Taxifahrer alle Schleusen. Er gestikulierte wild. Schimpfte auf die Prominenten, die um die Erde jetteten und ihm predigten, weniger in die Sonne zu fliegen. Erregte sich über die Regierung, die Autofahren immer teurer macht. Wetterte über steigende Energiepreise und den Emissionshandel, der daran schuld sei. Und glaubte ohnehin nicht, dass irgendjemand daran etwas ändern könnte, dass sich die Erde aufheizt. »Wir wollen doch alle gut leben. Wer will schon verzichten.«
    |10| Es stimmt. Industrialisierung, Modernisierung und Massenkonsum haben uns die Suppe eingebrockt. Klimawandel ist der Preis für warme Stuben, Autos, Waschmaschinen, tiefgekühlte Pizza, Erdbeeren im Winter, Plastiktüten, das abendliche Steak, für alles zu jederzeit überall. Kurz gesagt: für ein abgesichertes, angenehmes Leben in Wohlstand und ohne Überlebenskampf. Der Klimawandel stellt diesen Lebenswandel in Frage.
    Die Frage ist: Können wir das Klima schützen und unseren Wohlstand wahren, können sich Vietnam und Indien modernisieren, ohne die Erde weiter aufzuheizen?
    Die Antwort auf diese Frage ist hoffnungsvoll und ernüchternd zugleich. Großbritannien zum Beispiel hat nach Angaben des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC gezeigt, dass Wirtschaftswachstum und Emissionen entkoppelt werden können. Schweden ebenso. Doch das sind nur wenige Ausnahmen. Global gesehen verhalten wir uns streng genommen so, als ob es das Kyoto-Protokoll gar nicht gäbe. Die CO2-Emissionen steigen weltweit. Der Ausstoß von Kohlendioxid durch fossile Brennstoffe stieg laut Financial Times zwischen 2000 und 2005 viermal schneller an verglichen mit der Zeitspanne von 1990 bis 2000. Sollte die Kurve weiter steil nach oben zeigen, wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts doppelt so viel Kohlendioxid in der Atmosphäre angesammelt haben wie vor der industriellen Revolution.
    Viele Fachleute sind überzeugt, dass wir uns auf einen
Kohlendioxidgehalt
in der Atmosphäre zubewegen, der weit über dem Grenzwert von 450 bis 500 ppm liegt, jener Schwelle, von der Wissenschaftler glauben, dass wir, blieben wir bei diesem Wert, die Folgen des Klimawandels noch beherrschen könnten. Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) erwartet eine Temperaturzunahme von mindestens 3 Grad Celsius. Die Folgen: Für eine bis vier Milliarden Menschen wird das Wasser |11| knapp, in Afrika drohen bis zu 15 Prozent Ernteverluste. Um nur zwei Beispiele zu nennen. »Die Gefahr ist deutlich, aber es fehlt entschlossenes Handeln«, sagt Nick Butler vom Cambridge Center for Energy Studies. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Politik denkt und handelt oft kurzsichtig, komplexe moderne Gesellschaften bewegen sich wie träge Riesentanker, die Bedrohung durch den Klimawandel bleibt in Bielefeld abstrakt, viele Umweltbewegte verzetteln sich in Symbolpolitik und Schaukämpfen, statt sich auf das Notwendige zu konzentrieren, und arme Staaten stellen wirtschaftliches Wachstum über Umweltschutz.
    Wunsch und Wirklichkeit beim Klimaschutz klaffen deshalb weit auseinander. Der IPCC veranschlagt einen Zeitraum von rund zehn Jahren, in dem die Industrienationen den Grundstein legen müssen, um ihre Emissionen langfristig drastisch zu drosseln. Doch die International Energy Agency sagt voraus, dass die Energienachfrage bis 2030 weltweit um 50 Prozent steigen wird – und egal wie viele Windräder sich drehen, Solarzellen Sonnenenergie einfangen oder Biogase Strom erzeugen: Kohle ist und bleibt weltweit der Energielieferant Nummer eins. Die Nachfrage steigt jährlich um 4 Prozent. 30 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen stammen allein aus
Kohlekraftwerken
. Zwei Neue gehen irgendwo auf dieser Welt jede Woche ans Netz, eines davon in China. Die USA planen in den kommenden Jahren 60 neue Kraftwerke, die mit Kohle befeuert werden, Deutschland immerhin 25. Wenn es nicht gelingt, Kohle rasch sauberer und klimaschonender zu verbrennen, wird Klimaschutz nicht gelingen. Wie dies erreicht werden kann, ist Gegenstand des Kapitels »Kohle muss sauberer werden«.
    Von zentraler Bedeutung für das Klima sind auch die tropischen Wälder. Sie speichern in Böden, Bäumen und Pflanzen Unmengen an Kohlendioxid. Rund 20 bis 25 Prozent der Treibhausgase |12| entstehen weltweit dadurch, dass die Wälder in
Entwicklungsländern
gerodet werden, das gespeicherte CO2 somit in die Atmosphäre
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