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Die Kleptomanin

Die Kleptomanin

Titel: Die Kleptomanin
Autoren: Agatha Christie
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Poirot?«
    »Ich beglückwünsche Sie dazu, solch ein einzigartiges und hübsches Problem zu haben.«
    »Nun, vielleicht verstehen Sie ja, was das alles soll, Monsieur Poirot, aber…«
    »Ich verstehe es ganz und gar nicht. Es erinnert mich in erster Linie an ein Spiel, zu dem mich kürzlich, in der Weihnachtszeit, einige junge Leute überredet haben. Es heißt, wenn ich mich recht erinnere, ›Die dreihornige Lady‹. Der Reihe nach muss jeder Teilnehmer den Satz sagen: ›Ich fuhr nach Paris und kaufte …‹, und dann irgendeinen Gegenstand einsetzen. Der nächste Spieler wiederholt den Satz und fügt einen weiteren Gegenstand hinzu. Der Sinn des Spieles besteht darin, sich an all die Gegenstände in der richtigen Reihenfolge zu erinnern, einige davon sehr ausgefallen und absurd. Unter anderem war das bei uns ein Stück Seife, ein weißer Elefant, ein Klapptisch und eine Moschusente. Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass die Gegenstände völlig ohne Beziehung zueinander sind. Genau wie in der Liste, die Sie mir eben gezeigt haben. Spätestens wenn etwa zwölf Objekte genannt sind, wird es so gut wie unmöglich, sie noch in der richtigen Reihenfolge zu wiederholen. Wem das nicht gelingt, der bekommt ein Horn aus Papier überreicht und muss das nächste Mal seinen Satz mit der Formulierung beginnen: ›Ich, die einhornige Lady, fuhr nach Paris‹, und so weiter. Wer drei Hörner erhalten hat, scheidet aus. Wer zuletzt übrig bleibt, ist der Sieger.«
    »Ich bin überzeugt, dass Sie der Sieger waren, Monsieur Poirot«, sagte Miss Lemon mit dem Vertrauen der loyalen Angestellten.
    Poirot strahlte. »Das war in der Tat der Fall«, sagte er. »Mit ein bisschen Phantasie lässt sich nämlich selbst in die zufälligste Ansammlung von Objekten eine gewisse Ordnung bringen, eine Art sinnvoller Reihenfolge. Man merkt sich zum Beispiel: ›Mit dem Stück Seife wasche ich einen großen weißen Elefanten aus Marmor, der auf dem Klapptisch steht‹ – und so weiter.«
    Mrs Hubbard sagte voller Respekt: »Vielleicht könnten Sie das auch mit der Liste von den Gegenständen machen, die ich Ihnen vorgelegt habe.«
    »Ohne Zweifel könnte ich das. Eine Dame, die nur ihren rechten Schuh trägt, bindet ein Armband um ihren linken Arm. Sie benutzt Puder und Lippenstift, geht zum Abendessen und lässt ihren Diamantring in die Suppe fallen und so weiter – ich könnte auf diese Weise Ihre Liste einprägsam machen – aber das ist es ja nicht, was wir wollen. Wir müssen uns vielmehr fragen: Warum wurde solch eine zufällige Sammlung von Gegenständen gestohlen? Steckt da ein System dahinter? Irgendein Plan? Das müssen wir als Erstes herausfinden. Wir müssen uns daher zunächst die Liste der Gegenstände sehr genau ansehen.«
    Es trat Stille ein, während Poirot sich dem Studium der Liste widmete. Mrs Hubbard sah ihm gebannt zu, wie ein kleiner Junge einem Zauberer, der ein Kaninchen oder zumindest Ströme bunter Bänder hervorzaubern soll. Miss Lemon dagegen blieb unbeeindruckt. Sie widmete sich in Gedanken den Feinheiten ihres Ablagesystems.
    Als Poirot schließlich das Wort ergriff, fuhr Mrs Hubbard zusammen.
    »Was mir zunächst auffällt«, sagte Poirot, »ist Folgendes: Von den Dingen, die verschwunden sind, haben die meisten nur einen geringen Wert (einige sind praktisch wertlos), mit zwei Ausnahmen – das Stethoskop und der Diamantring. Lassen wir das Stethoskop einmal beiseite, und konzentrieren wir uns auf den Ring. Sie sagen, er war wertvoll – wie wertvoll?«
    »Nun, das kann ich nicht genau sagen, Monsieur Poirot. Es war ein Solitär mit je einer Gruppe kleiner Diamanten darüber und darunter. Soweit ich weiß, war es der Verlobungsring von Miss Lanes Mutter. Sie war äußerst verärgert, als der Ring weg war, und wir waren alle froh, als er noch am selben Abend im Suppenteller von Miss Hobhouse wieder aufgetaucht ist. Nichts weiter als ein dummer Scherz, haben wir gedacht.«
    »Natürlich kann es ein Scherz gewesen sein. Aber ich denke eher, dass Diebstahl und Rückgabe des Rings eine Bedeutung haben. Wenn ein Lippenstift, eine Puderdose oder ein Buch wegkommen, dann ist das zu unbedeutend, als dass man die Polizei rufen würde. Aber bei einem wertvollen Diamantring ist die Lage anders. In diesem Fall ist es äußerst wahrscheinlich, dass wirklich die Polizei gerufen wird. Daher wird der Ring zurückgegeben.«
    »Aber warum wird er erst entwendet, wenn er dann doch zurückgegeben wird?«, sagte Miss Lemon
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