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Die Kleptomanin

Die Kleptomanin

Titel: Die Kleptomanin
Autoren: Agatha Christie
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rechten Seite des Hauses, und die jungen Männer auf der anderen, der ursprünglichen Nummer 24.
    Mrs Hubbard ging nach oben und öffnete dabei den Kragen ihres Mantels. Sie seufzte, als sie die Richtung zum Zimmer von Mrs Nicoletis einschlug.
    Sie klopfte an die Tür und trat ein.
    »Vermutlich wieder einer ihrer Anfälle«, murmelte sie.
    Im Wohnzimmer von Mrs Nicoletis war es sehr warm. Alle Heizspiralen des großen elektrischen Kamins waren eingeschaltet und das Fenster geschlossen. Mrs Nicoletis saß auf dem Sofa und rauchte, umgeben von einer Sammlung ziemlich schmutziger Seiden- und Samtkissen. Sie war eine noch immer gut aussehende, große, dunkelhaarige Frau mit großen braunen Augen und schlechter Laune.
    »Ah, da sind Sie ja.« So wie Mrs Nicoletis es sagte, klang es wie eine Anschuldigung.
    Mrs Hubbard, echte Lemon, die sie war, ließ sich dadurch nicht beeindrucken. »Ja«, erwiderte sie in scharfem Ton. »Hier bin ich. Man hat mir gesagt, dass Sie mich zu sprechen wünschten.«
    »Ja, das will ich in der Tat. Es ist ungeheuerlich, nicht mehr und nicht weniger, ungeheuerlich!«
    »Was ist ungeheuerlich?«
    »Diese Rechnungen! Ihre Buchführung!« Mrs Nicoletis förderte nach Art eines geübten Zauberers einen Stapel Papiere unter einem Kissen hervor. »Was geben wir diesen elenden Studenten zu essen? Gänseleber und Wachteln? Ist das hier vielleicht das ›Ritz‹? Was glauben die denn, wer sie sind, diese Studenten?«
    »Junge Leute mit einem gesunden Appetit«, sagte Mrs Hubbard. »Sie bekommen ein gutes Frühstück und ein anständiges Abendessen – einfache, aber nahrhafte Kost. Das ist alles sehr wirtschaftlich.«
    »Wirtschaftlich? Wirtschaftlich? Das wagen Sie mir zu sagen? Wo ich am Rande des Ruins stehe?«
    »Sie machen einen erheblichen Gewinn mit diesem Haus, Mrs Nicoletis. Für Studenten liegen die Mieten im oberen Bereich.«
    »Aber bin ich nicht immer ausgebucht? Habe ich jemals ein Zimmer frei, für das nicht gleich drei neue Bewerber auf der Schwelle stehen? Schickt man mir nicht die jungen Leute vom British Council, vom Studentenwerk der Universität London – von den Botschaften – vom Lycée Française? Habe ich nicht drei Anwärter auf jedes freie Zimmer?«
    »Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Mahlzeiten hier sowohl appetitlich als auch ausreichend sind. Junge Leute brauchen genügend zu essen.«
    »Blödsinn! Diese Rechnungen sind einfach ein Skandal. Diese italienische Köchin und ihr Mann, die stecken dahinter. Die betrügen Sie mit dem Essen.«
    »Das stimmt nicht, Mrs Nicoletis. Ich kann Ihnen versichern, dass kein Ausländer mich jemals betrügen könnte.«
    »Dann sind Sie es selbst – dann sind Sie es, die mich ausraubt!«
    Mrs Hubbard blieb ungerührt. »Solche Anschuldigungen kann ich nicht dulden«, sagte sie in einem Ton, wie ein Kindermädchen mit einem besonders aufsässigen Zögling spricht. »Sie sind einfach ungehörig, und früher oder später werden Sie durch solche Reden in Schwierigkeiten kommen.«
    »Ach was!« Mrs Nicoletis warf den Stapel Rechnungen mit dramatischer Geste in die Luft, von wo die Blätter in alle Richtungen zu Boden flatterten. Mrs Hubbard bückte sich und hob sie auf, wobei sie die Lippen zusammenpresste. »Sie regen mich auf!«, schrie ihre Arbeitgeberin.
    »Ich möchte darauf hinweisen«, sagte Mrs Hubbard, »dass es schlecht für Sie ist, sich so aufzuregen. Wutanfälle sind schlecht für den Blutdruck.«
    »Aber Sie geben doch zu, dass diese Ausgaben höher sind als in der letzten Woche?«
    »Natürlich sind sie höher. Es gab ein paar sehr gute Sonderangebote bei ›Lampson‹. Die habe ich ausgenutzt. In der nächsten Woche werden die Zahlen deutlich unter dem Durchschnitt liegen.«
    Mrs Nicoletis war eingeschnappt. »Sie erklären alles immer so glaubwürdig.«
    »Da.« Mrs Hubbard legte die Rechnungen in einem ordentlichen Haufen auf den Tisch zurück. »Gibt es sonst noch etwas?«
    »Dieses amerikanische Mädchen, Sally Finch, die redet vom Ausziehen – ich will nicht, dass sie auszieht. Sie hat ein Fulbright-Stipendium. Sie wird andere Fulbright-Stipendiaten zu uns bringen. Sie darf nicht weggehen.«
    »Warum will sie uns verlassen? Hat sie Gründe genannt?«
    Mrs Nicoletis hob ihre gewaltigen Schultern. »An die Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern. Es waren jedenfalls nicht die echten Gründe. Soviel steht fest. So was merke ich immer.«
    Mrs Hubbard nickte nachdenklich. Sie war geneigt, Mrs Nicoletis in diesem Punkt
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