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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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Sekunden währender Glücksmoment.

Ein Erkältungsbad
    D afür nimmt man sogar eine Erkältung in Kauf.

Seinen Lieblingsautor finden
    D ie Suche nach dem Lieblingsautor ist mindestens so schwierig wie die Suche nach dem Lebenspartner. Die Suche kann genauso
     viel Zeit, Nerven und auch Geld kosten. Ich spreche übrigens lieber von »Autor« als von »Schriftsteller«, denn »Schriftsteller«
     erinnert mich immer an Stehkragen, Weste, Taschenuhr und Sockenhalter – kurz: an Thomas Mann. Der war ein Schriftsteller,
     weil er seine Brillanz in jedem Satz zum Ausdruck bringen musste.
    In diesen Zeiten ist ja zumindest in meinen Kreisen (Sportjournalisten, Psychologiestudentinnen, Fußballim-Park-Spieler) Haruki
     Murakami schwer angesagt. Der Mann ist gut, vor allem ›Mister Aufziehvogel‹ dürfte den Autor (ihn, nicht mich) überdauern.
     Aber inzwischen liest ihn jeder, wirklich jeder, und man will ja seinen Lieblingsautor (wie seinen Lebenspartner) schon ein
     wenig für sich allein haben. Deswegen sage ich gern, um zu glänzen: Was ist schon Haruki Murakami gegen Viktor Pelewin?, obwohl
     ich es nicht so meine. Dennoch ist Pelewin auch ein Großer, aber Achtung: Er wird gern für die falschen Werke gelobt. ›Buddhas
     kleiner Finger‹ ist viel besser als dieses alberne Werbeepos ›Generation P‹.Sehr wichtig: Man darf nicht zu esoterisch werden, denn natürlich ist der Lieblingsautor der Spiegel unserer selbst, die Visitenkarte
     unserer intellektuellen Bedürfnisse – und Kapazitäten. Deswegen sind Namen wie Dschingis Aitmatov, E.   M.   Cioran oder Ryszard Kapuscinski, um mal ein paar Beispiele wirklich hervorragender Autoren zu nennen, nur dann gestattet,
     wenn man selbst im Literaturbetrieb arbeitet oder über alle Zeit der Welt verfügt. Herrgott, man braucht doch jemanden – bloß
     einen!   –, mit dem man sich über seinen Lieblingsautor austauschen kann, denn nichts schweißt auf einer Veranstaltung zwei Fremde
     enger zusammen als die Entdeckung gleicher literarischer Vorlieben. Auf einer durchschnittlichen deutschen Party (jedenfalls
     wie ich sie kenne) auf einen E.   M.   Cioran-Verehrer zu treffen ist etwa so wahrscheinlich wie auf einer Party seinen Zwillingsbruder zu finden, obwohl einem die
     Eltern immer versichert haben, Einzelkind zu sein.
    In meinem sozialen Umfeld gibt es natürlich noch Nick Hornby, der jedem denkenden Mann zwischen 20 und 40 aus der Seele spricht,
     und wer ›High Fidelity‹ und ›Fever Pitch‹ schlecht findet, kriegt ernsthaft Ärger mit mir – und meinen Musikjournalistenfreunden.
     Aber Hornby ist nicht mein Lieblingsautor, denn er macht es mir zu leicht. Hornby gut zu finden ist so originell wie sich
     über eine unvermutete Steuererstattung zu freuen. Nein, Lieblingsautoren wollen auch ein wenig gejagt und erobert werden,
     genauso wie – na, Sie wissen schon.
    Ich jedenfalls kann mein Glück kaum fassen, dass es noch immer Werke von T.   C.   Boyle gibt, die ich nicht gelesen habe. Begonnen hat meine Liebe mit ›Wassermusik‹, Boyles mutmaßlich besten Buch, aber noch weiß ich es nicht. Ich könnte schwören, dass ich seitenlang wahlweise mit offenem
     Mund oder angehaltenem Atem gelesen habe. Was für eine erzählerische Wucht! Vor allem aber mag ich es, wenn historische Stoffe
     literarisch verarbeitet sind, deswegen bekenne ich mich auch schamlos zu Umberto Eco und Lawrence Norfolk. Dann kam ich zu
     ›World’s End‹ (auch viel Geschichte drin, prima) und ›Grün ist die Hoffnung‹, weiter ging es mit ›Dr.   Sex‹ und ›Talk Talk‹, seinen neueren und doch eher mäßigeren Werken.
    T.   C.   Boyle ist perfekt, schon der Name ist geheimnisvoll. Das C steht für das nie gehörte Coraghessan, aber das T. wird in keinem
     Klappentext enthüllt. Auch sein Schreibstil ist perfekt, jedenfalls für mich, weil er so komplett anders ist.
    Ich finde David Sedaris großartig, und ich habe für sehr teures Geld den ›New Yorker‹ nach Italien abonniert, weil alle fünf,
     sechs Ausgaben eine Geschichte von ihm drinsteht, aber als Lieblingsautor könnte ich ihn nicht ertragen, weil er, ähem, so
     ähnlich schreibt wie ich. Oder sagen wir: so ähnlich schreibt, wie ich schreiben will. Und nicht nur das: Er vergeht auch
     vor Freude, wenn er die Kreuzworträtsel der ›New York Times‹ löst (siehe Seite 127). Also bitte: Ich habe schon 2 2-jährige Popliteraten erlebt, die sich im Rausch als Gott bezeichneten – da werde ich mich doch
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