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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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wohl mit einem homosexuellen Amerikaner
     griechischer Herkunft, der inzwischen in Paris lebt und in zwölf Sprachen übersetzt wurde, vergleichen dürfen! Kommen wir
     auf die Analogie zu den Lebenspartnern zurück. Wer könnte ernsthaft seinen Zwilling heiraten,die praktisch identische (und zu allem Überfluss auch noch höher begabte) Ausgabe seiner selbst? Boyle dagegen ist weit weg
     von mir und meinen Möglichkeiten. Ihm gelingt in seinen besten Momenten das große, ausschweifende und doch beinhart recherchierte
     Schwelgen in der Vergangenheit, das Weben des monumentalen Bildes.
    Wenn ich vor meiner Bücherwand stehe und den gelben Umschlag der ungelesenen Taschenbuchausgabe von ›Willkommen in Wellville‹
     sehe (ja, die Ausgabe ist bei dtv erschienen, und sie wurde mir von meiner freundlichen Lektorin geschenkt), dem, wie man
     hört, vielleicht besten oder zumindest der ›Wassermusik‹ ebenbürtigen Werk Boyles, dann schaudert mich leicht. Ich weiß, dass
     ich mit diesem Buch eines Tages sehr viel Freude haben werde. Der Trick ist: Wenn ich schlechte Laune habe, reicht ein kurzer
     Gang zum Bücherregal. Was für ein leicht zu erzeugendes, so wunderbares Gefühl.

Einen wichtigen Vertrag mit seinem besten Füller unterschreiben
    I rgendeine Funktion müssen die lächerlich überteuerten Mont Blancs ja haben. Oder schreiben Sie etwa Ihre Einkaufsliste damit?

Eine gute Enoteca
    K lein muss sie sein – nein, nicht klein, eher unübersichtlich und irgendwie verbaut. Schattige Winkel, umrahmt von unverputzten
     Wänden. Trübes, bestenfalls dunkelgelbes Licht. Weinkartons stapeln sich bis unter die rissige Decke, hinter der Theke grüßt
     eine endlose Batterie edler Flaschen. Den Ausschank macht ein Mann mit mächtigem Bauch, über welchen sich eine fleckige Schürze
     spannt. Schnurrbart und tiefe Stimme sind optional. Falls der Mann mit der Schürze tatsächlich eine tiefe Stimme hat, setzt
     er sie jedoch nur sehr sparsam ein. Leutseligkeit ist seine Sache nicht. Er gießt die Gläser beinahe voll, denn hier spielt
     man nicht das falsche Spiel der Weinexperten, hier trinkt man. Irgendwo steht eine riesige Vase, die bis obenhin mit alten
     Korken gefüllt ist. Jeder der Korken erzählt, natürlich, eine Geschichte, und jeder Gast hat an diesem Kunstwerk mitgearbeitet.
     Es duftet nach Holz und Wein und Schinken. Auf einem der beiden wackligen Tische liegen Weinführer, längst fleckig und voller
     Eselsohren. Erdnüsse stehen zur freien Verfügung. Musik gibt es nicht oder nur so leise, dass man sie nicht wahrnimmt. An
     einem wichtigen Fußballabend ist auf Mittelwelle geschaltet. Manche der Gäste lauschen konzentriert.
    Das Publikum müsste perfekt gemischt sein, geradezu ein repräsentativer Querschnitt des Viertels oder des Dorfes – ja, ein
     Dorf wäre wohl ein besserer Ort für diese idealtypische Enoteca. Da gibt es den stillen Wirkungstrinker mit roter Nase, die
     Lebedame mit exaltierter Frisur und ein arg verliebtes Pärchen; sie lehnt gegen einen der Kartonstapel, er flüstert ihr Zärtlichkeiten
     ins Ohr. Sodann: zwei zufällig hereintretende Dorfpolizisten bzw. Carabinieri (Achtung, großer Unterschied!), die den neuesten
     Klatsch auf Lager haben und das angebotene Glas erst gestenreich ablehnen und dann doch, auf Initiative des Älteren der beiden
     Ordnungshüter, zugreifen. Ein Wirt, der gerade das Restaurant nebenan aufgemacht hat und noch einen Aperitif genießt, bevor
     der Sturm losbricht. Der Dorfintellektuelle, der in einer Ecke in einem schmalen Buch liest. Keine Touristen natürlich, auf
     gar keinen Fall! Nur man selbst. Man ist ja kein Tourist, sondern Kenner.
    Draußen müsste es kalt sein, windig, herbstlich bis winterlich und ganz allgemein ungemütlich. Das trübe gelbe Licht leuchtet
     wie eine Laterne im Nebel, als eine Art schwaches, doch hoffnungsvolles Signal, das zeigt: Hier ist trotz aller Widrigkeiten
     das gute Leben daheim. Als es anfängt, heftiger zu regnen, schneidet der Mann mit der fleckigen Schürze von einer gigantischen
     Schinkenkeule ein paar Scheiben ab und reicht sie, noch auf dem Schinkenmesser, seinen Gästen an der Bar.
    Und wenn dieses ganze Szenario nur ein Bluff ist, um mich und andere Touristen/Kenner/Insider in die Falle zu locken, dann
     sei es eben so. Authentizität ist ein mir sehr suspektes Wort, erstens, weil es so schwer auszusprechenist, und zweitens, weil mir dabei immer irgendwelche Lonely-Planet-Apologeten und
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