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Die kleinen Freuden des Lebens

Die kleinen Freuden des Lebens

Titel: Die kleinen Freuden des Lebens
Autoren: Stefan Maiwald
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vier, fünf Feste zugleich essen. Außerdem ist die Geschwindigkeit der Essensabfolge
     atemberaubend. Man trifft sich gegen 11   Uhr vormittags, und das Wirtsehepaar hat ein kaltes Büffet vorbereitet. Dazu gibt es Pils ad infinitum. Dann wird das Mittagessen
     serviert, das im Wesentlichen aus Jägerschnitzel besteht, anschließend kommen Kaffee und Kuchen, und ab 17   Uhr die Schlachtplatte. Schließlich wird gegen 21   Uhr noch mal Gulasch aufgetragen. Zu den meisten Gängen gibt es riesige Schüsseln voller Kroketten. Kroketten! Wahnsinn, wie
     gut die schmecken können. Ich glaube, Kroketten werden ausschließlich zu Familienfeiern auf dem Land gereicht, da ich sie
     noch in keinem Restaurant auf der Karte entdeckt habe. Schade, denn die Haute Cuisine hat ja neuerdings auch das gute Kartoffelpüree
     wiederentdeckt. Da könnte es doch auch mal die Krokette zu höheren Weihen bringen. Verdient hätte sie es.
    Nach der Familienfeier sitzt man im Auto und lässt sich von dem am wenigsten alkoholisierten Mitglied der Familie zum nächsten
     Verwandten fahren, wo das Gästebett hergerichtet ist. Auf der ziemlich kurvenreichen Fahrt (auch der am wenigsten alkoholisierte
     Verwandteist noch reichlich bedient) streichelt man den eigenen Bauch und bittet ihn um Verzeihung. Man fühlt sich rund und glücklich
     und schläft schon mal ein bisschen ein. Ein Wettessen im Clan: ein sehr seltenes, ein sehr schönes Gefühl.

Neuwagengeruch
    K ann
    man so etwa zwei bis zehn Mal in seinem Leben genießen. Sollte man auch.

Eine neue Sportart lernen
    U nd zwar eine Sportart, für die man eigentlich viel zu alt ist. Jedenfalls war es schon ein seltsames Gefühl, mit 35 plötzlich
     mit dem Windsurfen anzufangen. Das noch seltsamere Gefühl aber war, Windsurfen bei Windstärke 0,0 zu lernen. Am Starnberger
     See, letzten August. Dort gibt es einen Bretterverhau, der als Surfschule dient und auch allerlei zum Leihen offeriert. Erst
     einmal stieg ich in den Neoprenanzug, und das ist ja schon mal ein sehr cooles Gefühl. Weil es nur ein geliehener Neoprenanzug
     war und viele meiner Vorgänger darin offenbar mehrfach übernachtet hatten, stank er erbärmlich. Aber das, was so roch, sei
     nur das Neopren, versicherte mir mein Lehrer Christian (was genau ist Neopren eigentlich?). Es war ein sommerlicher Sonntagmorgen,
     die ersten Familien hatten es sich schon am Badestrand bequem gemacht. Ich watschelte über den Kies zum Ufer, schob das Brett
     ins Wasser, stellte mich drauf, fiel ins Wasser, stellte mich drauf, fiel ins Wasser und stellte mich drauf. Na bitte, dachte
     ich, geht doch. Zwei Sekunden später – na, Sie ahnen es sicher schon. Windstärke null, tröstete mich Christian, das sei ganz
     schön schwierig zum Lernen, weil es ja keinen Wind-
    druck im Segel gebe und man sich nicht »reinhängen« könne. Außerdem stelle ich mich ganz gut an, sagte er, aber ich war ja
     auch der, der ihn bezahlte. Vorne am Brett war eine Kordel befestigt, und Christian zog mich durchs hüfttiefe Wasser, während
     ich auf dem Brett langsam meine Balance fand. Es muss vom Ufer aus ein sehr friedlicher Anblick gewesen sein: Das Gespann
     mit dem durchtrainierten Burschen vorneweg, der durch den spiegelglatten See watete, und dem etwas unförmigen Typen, der sich
     am – Achtung, frisch gelernter
Terminus technicus
– Rigg festhielt. Das Gespann glitt majestätisch langsam und in völliger Stille (der unförmige Typ musste sich ja aufs Gleichgewichthalten
     konzentrieren) in der Morgensonne dahin. Zwanzig Minuten ging das so, ich wurde immer wagemutiger und lehnte mich mal ein
     bisschen vor, mal ein bisschen zurück, und dann gab Christian mir einen mächtigen Schubser, und ich fuhr ein paar Meter allein.
     Das Steuern hatte er mir erklärt, wenngleich, wie gesagt, ohne Wind das alles nicht so einfach war. Doch inzwischen war die
     Idee einer Idee einer Brise aufgekommen, es reichte gerade so, dass ich in der Schrittgeschwindigkeit eines sehr alten Menschen
     vorwärtskam. Ich war natürlich allein auf dem See, weil echte Surfer bei diesen Bedingungen nicht surfen. Aber, Wahnsinn,
     fühlte ich mich cool! Bald war ich auf der Mitte des Sees, und ich ahnte, dass ich umkehren musste. Meine erste Wende (oder
     Halse?) sah so aus: Ich sprang ins Wasser, drehte das Board um 180   Grad, schwang mich wieder drauf, zog in ein paar Dutzend Versuchen das Segel und mich selbst wieder aus dem Wasser und nahm
     dann in ebenso berauschender
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