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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester
Autoren: Andrea Schacht
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überhaupt nichts übrig. Und meine schlichten französischen Sätze ließen ihn einmal, als wir an einem besonders brenzligen Punkt angekommen waren, die Anrede »Fräulein Farmunt« gebrauchen. Dr. Koenig wollte einschreiten, und auch Léon sah grimmig hoch.
    »Fräulein Farmunt, Sie haben uns sehr klargemacht, dass Sie neben der Unfähigkeit, ein Projekt dieser Größenordnung in einem vernünftigen Maße zu planen, auch nicht hinter der Idee des Ferienparks stehen. Man könnte Vorsatz dahinter vermuten, Fräulein Farmunt. Sie scheinen den Erholungsuchenden einen klimatisierten, witterungsunabhängigen Erlebnisurlaub nicht zu gönnen. Könnte das, Fräulein Farmunt, Ursache Ihrer vielfältigen Fehler gewesen sein?«
    Wir hatten gerade die Standortproblematik dargestellt, die durch die jüngsten archäologisch bedeutsamen Funde aufgetreten war. Die Anschuldigung des Vorsatzes und des verkehrten ideologischen Standpunkts hätten mich früher vermutlich zum Ausrasten gebracht. Diesmal allerdings war ich dankbar für Roberts Notbremse. Ich dachte an ihn, und eine Welle von Heiterkeit durchfloss mich. Langsam hob ich meinen Kopf,sehr geradeheraus sah ich Muller in die kalten, grauen Augen, sehr, sehr langsam hob ich den Finger zu meiner Lippe.
    Er tat mir nach, ohne es zu wissen. Dann lächelte ich ihn an und bestätigte seine Worte: »
Oui, mon Capitaine
. Und wie, bitte, verbringen Sie dieses Jahr Ihren Urlaub?«
    Sprachlos starrte er mich an. Ich legte meine Hand wieder auf den Tisch, und er strich sich über die Oberlippe, wo sich eine kleine, wulstige Narbe befand. Dann nahm er sehr plötzlich den Finger weg, und ein zögerndes, anerkennendes Lächeln kam auf seine schmalen Lippen.
    »
Touché!
Madame, Messieurs, machen wir eine Pause.«
    Das Mittagessen brachte eine Idee von Entspannung in die Atmosphäre, danach war die Verhandlung zäh, aber das Klima war frei von Anschuldigungen. Gegen fünf Uhr waren wir so weit, dass wir eine für alle Parteien tragbare Lösung gefunden hatten, die den Gesichtsverlust – und den materiellen Verlust – in Grenzen hielt. Wir verabschiedeten uns vor dem Tagungshotel, und Monsieur Muller lotste mich mit charmanter Gewalt aus dem Kreis der übrigen Herren.
    »Sie sind offensichtlich jemandem begegnet, der mich gut kennt, Madame?«, fragte er, und deutete auf seine Oberlippe.
    »Wir heiraten in ein paar Wochen.«
    Er hatte ein Lächeln, das nicht ohne Reiz war.
    »Ist Ihnen gelungen, was mir nicht gelungen ist? Haben Sie ihn gezähmt?«
    »Warum gezähmt?
Ich
komme auch so mit ihm zurecht.«
    Jetzt lachte er sogar schallend, reichte mir die Hand und meinte: »Meinen Glückwunsch, Madame. Übermitteln Sie Ihrem zukünftigen Gatten ebenfalls meine aufrichtig gemeinten Gratulationen. Er hat mit Ihnen bekommen, was er verdient hat.«

    »Was, im Namen aller Heiligen, haben Sie mit Muller gemacht, Frau Farmunt?«, fragte mich Dr. Koenig, als wir im Taxi saßen. »War das eine Art magischer Beschwörung?«
    »So könnte man es nennen. Aber eigentlich lag es nur an einem kleinen Informationsvorsprung, den ich Ihnen gegenüber hatte.«
    Léon, der vorne saß, drehte sich um.
    »
Chère
Lindis, verraten Sie uns, was es war?«
    »Oh, wie Sie gesehen haben, hat Muller eine kleine Narbe an der Oberlippe. Nun, ich kenne ihre Herkunft. Sehen Sie, Monsieur Muller war lange Zeit Offizier in der Légion. Er scheint ein ziemlicher Leuteschinder gewesen zu sein, und Robert hat, nachdem er die Légion verlassen hatte, noch einmal eine kleine Auseinandersetzung mit ihm gehabt. In deren Verlauf spielte Muller keine rühmliche Rolle, aber er trug eben diese Narbe davon. Robert meinte, es könne ganz nützlich sein, ihn an diese demütigende Erfahrung zu erinnern, wenn er allzu pampig würde.« Ich grinste versonnen. »Wenn ich daran denke, wie er mit Daniels umgesprungen ist, habe ich ein lebhaftes Bild von dem, was er als demütigend bezeichnet.«
    »Ja, aber, wie haben Sie ihn daran erinnert? Ich hörte Sie nichts sagen.«
    Ich machte es noch einmal. Es klappte auch bei beiden. Als sie beide den Finger an der Lippe hatten, lachte ich sie an.
    »Oh!«, war alles, was Dr. Koenig herausbrachte.
    Léon lachte ebenfalls und fragte dann: »Ja, und das mit dem Urlaub?«
    »Muller hat sich nie so recht von dem harten Leben der Soldaten trennen können. Er verbringt seine freie Zeit mit solchen Abenteuer-Touren, Survival-Training nennt man das. Wie meine kleine Schwester es ausdrücken würde, er eiert, nur
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