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Die Katze

Titel: Die Katze
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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nächsten Moment ging die Tür auf, und eine kräftige Wärterin führte Jill Rohmer herein. Sie nahm ihr die Handschellen ab und zog sich wieder vor die Tür zurück. Jill trug ihre Häftlingskluft, orangefarbenes T-Shirt und Jogginghose. Ihre Haare waren länger, als Charley sie in Erinnerung hatte, und hingen offen um ihr Gesicht. Sie verzog die Lippen zu einem unansehnlichen Schmollmund und starrte an die Wand. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich mit Ihnen reden will«, sagte sie.
    »Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich wirklich mit Ihnen reden will«, hörte Charley sich antworten.
    Charley beobachtete, wie Jill den Kopf langsam in ihre Richtung wandte, bevor sich ihre Blicke zum ersten Mal seit mehr als einem Monat trafen. »Sie haben abgenommen«, stellte Jill fest.
    »Sie haben zugelegt.«
    »Ach ja? Na, versuchen Sie mal von dem Schweinefraß zu leben, den man hier kriegt«, gab Jill wütend zurück. »Nichts als Kohlehydrate. Wie geht es Ihrer Hand?«, fragte sie, als ob diese beiden Gedanken in irgendeiner Weise miteinander verknüpft wären. »Ich habe gehört, Sie haben sich mehrere Finger gebrochen, als Sie Alex k.o. geschlagen haben.«
    Charley krümmte ihre nach wie vor schmerzenden Finger unter dem Tisch, sagte jedoch nichts.
    »Im Fernsehen sieht es immer so leicht aus, stimmt’s?«, fragte Jill. »Typen, die sich links und rechts eine verpassen und jeden windelweich prügeln, und niemand bricht auch nur in Schweiß aus, von gebrochenen Fingern ganz zu schweigen.« Sie lachte, aber das Geräusch erstarb schon in ihrer Kehle. »Ich sollte Sie hassen für das, was Sie getan haben, das wissen Sie doch, oder?«
    » Sie sollten mich hassen?«
    »Aber ich hasse Sie nicht. Verdammt, ich mag Sie sogar. Sie sind die einzige Freundin, die ich habe.«

    »Ich bin nicht Ihre Freundin, Jill.«
    »Nein, wohl nicht. Aber solange es gedauert hat, war es doch irgendwie amüsant, oder?«
    »Es war alles Mögliche«, erklärte Charley ihr, »aber ganz bestimmt nicht amüsant.«
    »Autsch. Da habe ich Sie wohl falsch gedeutet.«
    »Haben Sie wohl.«
    »Und was führt Sie heute hierher?« Jill nahm Charley gegenüber Platz und beugte sich auf die Ellenbogen gestützt vor. »Auf der Suche nach einem Abschluss, Charley? Sind Sie deswegen hier?«
    »Ich nehme an, so könnte man es nennen. Ich brauche ein letztes Kapitel für mein Buch.« Charley zog den Kassettenrekorder aus ihrer Handtasche, stellte ihn auf den Tisch und startete die Aufnahme. Dann lehnte sie sich zurück und wartete.
    »Sie meinen unser Buch?«
    »Nein, ich meine mein Buch. Das Buch, das mich reich und berühmt machen wird, während Sie hier drin verrotten, bis man Sie auf die Bahre schnallt und eine Nadel in Ihren Arm steckt.« Charley lächelte. » Das ist wirklich amüsant.«
    Jill versteifte sich auf ihrem Stuhl. »Und was wird aus Ihrem kostbaren Buch, wenn ich beschließe, Ihnen nichts mehr zu erzählen? Was machen Sie dann?«
    »Dann muss ich mir halt was ausdenken«, erwiderte Charley achselzuckend. »So komplex ist Ihre Persönlichkeit auch wieder nicht, Jill. Ich bin sicher, mir fällt was ein.«
    »Für eine Frau, deren Kinder fast umgebracht worden wären, wirken Sie ziemlich selbstbewusst.«
    Charley schob ihren Stuhl zurück, stand auf und griff nach dem Kassettenrekorder, während sie eigentlich Jills Gurgel packen wollte.
    »Ach, setzen Sie sich. Und regen Sie sich wieder ab« sagte Jill. »Ihr Selbstbewusstsein habe ich immer bewundert.«

    Charley ließ sich langsam auf ihren Stuhl sinken und wartete, dass Jill weitersprach.
    »Wirklich interessant, wie sich manche Sachen entwickeln, oder? Ich meine, ich bin keine große Leseratte. Zeitung zum Beispiel lese ich nie. Außer, es steht was über mich drin, natürlich.« Jill kicherte, blickte zu Charley in der Hoffnung, ein Lächeln zu ernten, und fuhr dann, als das nicht geschah, fort: »Jedenfalls weiß ich noch, wie Pammy eines Sonntags am Küchentisch saß, meiner Mutter Ihre Kolumne vorlas und erwähnte, dass Sie ein paar Mal mit Ihrem Bruder ausgegangen war. Also hörte ich auch zu - es war die Kolumne darüber, wie Sie entschieden haben, Kinder zu bekommen, ohne zu heiraten -, und ich fand Sie witzig und irgendwie cool, außerdem sahen Sie auf dem Foto echt toll aus. Als wollten Sie allen sagen, dass sie Ihnen mal den Buckel runterrutschen könnten. Danach habe ich Ihre Kolumne mehr oder weniger jede Woche gelesen und so von Ihren Schwestern, Ihrer Mutter und Ihren Kindern
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