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Die Katze

Titel: Die Katze
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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Barnet, die unter der Plastiktüte nach Luft rang, hörte die Starkey-Zwillinge nach ihrer Mutter schreien, während sie mit glühenden Zigaretten verbrannt wurden. Sie sah ihre eigene Mutter mit schlaffem Kinn und nur halb bei Bewusstsein in die rot-weiß geblümte Decke gewickelt, ihren Bruder mit gespreizten Beinen am Boden, die normalerweise leuchtend grau-blauen Augen trüb vor Schmerz und Fassungslosigkeit. Sie sah ihren Sohn unsicher auf Alex’ Schultern hocken und
darum kämpfen, heruntergelassen zu werden, ihre Tochter mit aschfahlem Gesicht schlaff in den Armen des Notarztes, und jedes Mal, wenn ihr wieder bewusst wurde, dass sie die beiden beinahe verloren hätte, stöhnte sie laut auf.
    Sie konnte nicht schlafen. Sie konnte nicht essen. Sie konnte nicht schreiben. Sie hatte sich bei der Palm Beach Post beurlauben und die Arbeit an ihrem Buch ruhen lassen. Sie fuhr ihre Kinder jeden Morgen zur Schule und holte sie nachmittags wieder ab. In den Stunden dazwischen saß sie in ihrem Wohnzimmer und versuchte, sich nicht auszumalen, was hätte passieren können. Manchmal gelang ihr das, häufiger nicht.
    Ihre Kinder hingegen erwiesen sich als recht unverwüstlich. Franny hatte keine Erinnerung an ihre Betäubung mit der Elektroschockpistole; sie wusste nur noch, dass sie die Tür des Hotelzimmers geöffnet hatte, und war dann in den Armen ihrer Mutter aufgewacht. James beschwerte sich lediglich, dass der Ausflug nach Disney World abgekürzt worden war, und verkündete jedem, der es hören wollte, dass er Glen viel netter fand als Alex.
    Glen rief oft an, meistens bloß, um Hallo zu sagen und zu fragen, wie es ihr ging. Charley wusste, dass er nur auf ein Wort von ihr wartete, und er stünde vor ihrer Tür. Aber Charley war sich nicht mehr sicher, was die richtigen Worte waren. Alex hatte sie ihrer Instinkte beraubt. Er hatte sie gespielt wie eine verdammte Stradivari.
    Trotzdem konnte sie ihm nicht für alles die Schuld geben. Letztendlich war es ihr Ego, ihre totale Ichbezogenheit, die ihre Kinder in Gefahr gebracht hatte. »Sieht so aus, als hätte Vater, was mich betrifft, doch recht gehabt«, vertraute sie ihrer Mutter eines Abends an.
    »Dein Vater ist ein Schwachkopf«, erwiderte ihre Mutter.
    Ihre Mutter war es auch gewesen, die sie gedrängt hatte, Jill zur Rede zu stellen.
    Anfangs hatte Charley sich gegen die Idee gesträubt und sich
gesagt, dass sie kein Interesse hatte, Jill je wiederzusehen. Sie hatte keine Fragen mehr an sie und auch keine Lust, ihre Antworten zu hören. Von der Polizei wusste Charley bereits, dass Jill Alex durch Ethan kennengelernt hatte - Alex war der »clevere Anwalt« gewesen, der es geschafft hatte, dass die Anzeige wegen Drogenhandels fallen gelassen worden war -, und es bedurfte keines Genies, um zu erkennen, dass Jill in Alex ihre perfekte Entsprechung gefunden hatte, einen Mann, dessen perverse Fantasien nahtlos an ihre eigenen anknüpften. Spielte es eine Rolle, dass diese beiden Psychopathen jeder für sich ihre mörderischen Impulse vielleicht nie ausgelebt hätten, sondern erst vereint zur tödlichen Gefahr geworden waren? Was immer Jill ihr vielleicht erzählte, wäre ohnehin gelogen. Und selbst wenn sie ausnahmsweise einmal die Wahrheit sagte, traute Charley sich nicht mehr zu, den Unterschied zu erkennen.
    Wichtig war nur, dass Alex im Gefängnis auf seinen Prozess wartete und wie seine Geliebte wahrscheinlich bald ebenfalls in einer Todeszelle sitzen würde. Wichtig war, dass die beiden nie wieder einem Kind etwas antun konnten.
    Nein, redete Charley sich selber ein, sie wollte Jill keine weitere Gelegenheit bieten, sie zu demütigen, zu manipulieren und zu täuschen. Sollte sie sich auf Kosten von jemand anderem amüsieren.
    »Das sieht dir gar nicht ähnlich«, meinte ihre Mutter. »Seit wann neigst du zu Schuldgefühlen, noch dazu, wenn es dafür gar keinen Grund gibt? Seit wann sitzt du rum und suhlst dich in Selbstmitleid? Du bist die beste Mutter, die beste Schwester und die beste Tochter, die sich ein Mensch nur wünschen kann. Du bist auf jeden Fall viel mehr, als ich verdient habe. Und du bist eine wunderbare Autorin. Du hast wirklich Talent. Zweifle nicht daran. Lass dir das von diesem kleinen Miststück nicht wegnehmen. Untersteh dich, ihr so viel Macht einzuräumen.«
    »Habe ich eine Wahl?«, hatte Charley gefragt.
    »Man hat immer eine Wahl.«

    Konnte sie das wirklich tun, fragte Charley sich jetzt, als sie Schritte vor der Tür hörte. Im
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