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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär
Autoren: Cleveland Amory
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möglich, daß wir geheiratet hätten, wenn sie nicht aus irgendeinem albernen Grund, genau wie meine Kalifornierin, einen anderen geheiratet hätte ein Fehler, den sie, davon bin ich überzeugt, bitter bereute.
    Aber wie bei der Kalifornierin blieb auch bei ihr die Scheidung nicht aus. Da inzwischen auch ich geschieden war, gab es nun keinen Grund mehr, nicht erneut Kontakt aufzunehmen. Als sie mir schrieb, sie müsse demnächst geschäftlich nach New York reisen, war ich hocherfreut und träumte mit Genugtuung davon, wie sie sich an meiner Schulter über ihren Fehler, mich nicht geheiratet zu haben, ausweinen würde.
    Auch diesmal wieder plante ich ein intimes Dinner zu zweit. Aber mitten in den Vorbereitungen fiel mir plötzlich ein, daß ich bei meinen Planungen ein wichtiges Detail vergessen hatte. Dieses Detail war natürlich Eisbär. Er merkte sofort, daß etwas vorging, und wenn Eisbär merkt, daß etwas vorgeht, geht er erst einmal in sich. Das heißt, er versenkt sich in Meditation, um sich genau zu überlegen, wie er mit dem Bevorstehenden umgehen soll. Da er nicht weiß, was das Bevorstehende sein wird, kann sich die Meditation hinziehen. Ich habe dieses Verhalten oft genug beobachtet, um zu wissen, daß er im allgemeinen über zwei mögliche Vorgehensweisen nachdenkt. Bei meiner Kalifornierin hatte er sich für die direkte Konfrontation entschieden – er hätte sich genausogut für das Gegenteil entscheiden können, schnellen und endgültigen Rückzug. Ich hatte keine Ahnung, welche Strategie er diesmal wählen würde.
    Als meine Freundin kam, erwähnte sie Eisbär mit keinem Wort, und erst als wir beim Essen saßen, kam das Gespräch auf ihn. Sie sah sich plötzlich um und fragte: »Wo ist eigentlich Eisbär?«
    Ich gab eine meiner gewohnt lahmen Erklärungen – er sei gewiß im anderen Zimmer, habe sich in letzter Zeit nicht recht wohl gefühlt –, worauf sie prompt verkündete, sie sei froh, daß er nicht da sei.
    Ich fand das natürlich recht unsensibel von ihr, doch anstatt etwas zu erwidern, sah ich sie nur schweigend an und begnügte mich damit, eine Augenbraue hochzuziehen. Ich habe ja bereits gesagt, daß das meist an Wirkung nicht zu wünschen übrig läßt.
    Aber sie ließ sich davon nicht beirren. »Du hast nie Katzen gehabt, soweit ich mich erinnere«, fuhr sie fort. »Du hattest früher immer Hunde.« Sie legte eine vielsagende Pause ein, und als ich immer noch schwieg, fügte sie erläuternd hinzu: »Ich bin nämlich gegen Katzen allergisch.«
    Da verschlug es mir nun wirklich die Sprache. Ich hatte völlig vergessen, daß ich damals, als wir »miteinander gegangen« waren, tatsächlich nur Hunde gehabt hatte und keine Katze. Jetzt geriet ich in großen inneren Zwiespalt. Wenn ich klar und deutlich meine Meinung sagte, würde ich nicht nur die guten Manieren verletzen, die man mir in Boston mit soviel Sorgfalt beigebracht hatte, sondern ich konnte auch dieses zweite intime Abendessen vergessen. Wenn ich andererseits die Form wahrte und mich mit einer höflichen Bemerkung wie: »Ach, das ist aber schade«, begnügte, würde ich damit mich und meine Ansichten über Allergien verleugnen.
    Eisbär erlöste mich aus meinem Dilemma. Er wählte genau diesen Augenblick für seinen großen Auftritt. Früher sagte man, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, Kinder und Haustiere sollten gesehen, aber nicht gehört werden.
    Von dieser Maxime hat Eisbär noch nie etwas gehalten. Ihm ist es das liebste, nicht gesehen zu werden, aber ja alles zu hören. Diesmal hatte er sich anscheinend ein Versteck ganz in der Nähe ausgesucht gehabt, und nun schoß er so blitzschnell aus ihm hervor, als könne er es nicht abwarten, diese Frau kennenzulernen. Kurz vor ihr bremste er ab und begann einschmeichelnd seinen Kopf an ihren Knöcheln zu reiben.
    So schnell, wie er angeflitzt gekommen war, sprang meine Freundin von ihrem Stuhl, riß ein Kleenex aus ihrer Handtasche und starrte dann niesend und schniefend, hustend und prustend wie gebannt zu Eisbär hinunter.
    Jetzt mußte ich mich entscheiden. Ich konnte nichts tun, oder ich konnte tun, was getan werden mußte. Ich tat, was getan werden mußte. Ich hob Eisbär auf, trug ihn ins Schlafzimmer und deponierte ihn auf dem Bett. Nach einem kurzen Versuch, ihm zu erklären, daß dies einzig in seinem eigenen Interesse geschah, ging ich wieder, schloß die Tür hinter mir und kehrte ins Wohnzimmer zurück, um zu sehen, ob meine Freundin etwa schon ausgelitten
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