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Die Karte der Welt (German Edition)

Die Karte der Welt (German Edition)

Titel: Die Karte der Welt (German Edition)
Autoren: Royce Buckingham
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nach dem Geld, das sie besaß. Brynns Stellung im Leben definierte sich durch Hermelinstiefel, Pferde und Grundbesitz. Sogar sie selbst hatte einen festgesetzten Preis.
    »Du kannst mir den Stiefel jetzt wiedergeben«, sagte sie knapp.
    Wex wusste, er hatte soeben einen schlimmen Fehler begangen. Er streckte noch einmal die Hand mit dem Stiefel aus, und diesmal nahm sie ihn.
    »Dein Vater, so schlau er auch sein mag, gibt sich mit einem Leben unter Schweinen zufrieden«, fügte sie hinzu und streifte den Stiefel über ihren schmalen Fuß. Dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um, stieß überraschend kraftvoll die schwere Kiefernholztür auf und stolzierte davon.
    Wex schlug mit der Stirn gegen die verdreckte Wanne. »Du Idiot!«, schimpfte er so laut, dass die Worte in dem winzigen Badezimmer widerhallten, als würden die Wände ihn verspotten. Ohne nachzudenken, hatte er einfach so drauflosgeplappert und die Tochter des Grafen beleidigt. Jetzt war sie mit all ihrer Schönheit, ihrem Abenteuergeist, ihrer Intelligenz, den schlanken Füßen, dem gesunden Hinterteil und ihrer Bewunderung für seine Zeichnungen für immer aus seinem Leben gestapft.
    Wex fragte sich, was Elger dazu sagen würde. Sein Vater erklärte ihm stets, dass man, wann immer man etwas Dummes getan hatte, innehalten und versuchen sollte, daraus zu lernen. Für Wex waren das in diesem Fall zwei Dinge: Erstens, dass es sich nicht gehörte, über Geld zu sprechen, egal mit wem und selbst wenn das Gegenüber Geld hatte. Und zweitens, dass er in Brynn von Zornfleck verliebt war.

2
    Nachdem die Abreibung bereits zwei oder drei Tage auf sich hatte warten lassen, kam Wex zu dem Schluss, dass er wohl doch nichts zu befürchten hatte. Am vierten Tag schließlich ging er voll Vertrauen die Zweite Straße von Zornfleck entlang. Er war auf dem Weg zu Wünschelruth, dem Kräuterarzt, der zwei Höfe weiter wohnte. Wex sollte einen Zweig Thymian und ein halbes Dutzend Steinpilzköpfe besorgen, aber er hatte vor, auf gut Glück auch nach etwas Vogelleberextrakt für die schmerzenden Gelenke seines Vaters zu fragen.
    Wex hatte gerade als Bezahlung für die Arzneien eine Scheibe Schinken auf die Theke gelegt, da erzählte ihm Wünschelruth, dass eine Kompanie von Krysts Soldaten aus dem Palast von Skye in die Stadt gekommen sei. Ein seltenes Ereignis. Die Bauern von Zornfleck bekamen nicht oft Mitglieder der Palastwache zu Gesicht. Obendrein, so Wünschelruth hinter vorgehaltener Hand, ging das Gerücht, dass sich unter ihnen ein Magier befand.
    Wex bekam große Augen. Ein Magier! Bilder von finster dreinblickenden Männern in langen, wallenden Roben, die Blei zu Gold machen und mit den Fingern Feuerfontänen verschießen konnten, erschienen vor seinem inneren Auge.
    Sein Vater hatte ihm wiederholt erklärt, dass das alles nur faule Tricks waren, aber manchmal sahen sie verdammt überzeugend aus. Sobald er die Besorgungen erledigt hatte, sollte er sofort nach Hause kommen, hatte Elger gesagt, aber als Wex die Straße betrat und Richtung Zornfleck blickte, übermannte ihn die Neugier. Reisende, Abenteurer aus fernen Landen waren in der Stadt. Wex seufzte. Manchmal zeichnete er ferne Lande, aber er bekam sie nie zu sehen. Er stellte sie sich nur vor. Soldaten bekamen sie zu sehen. Magier bekamen sie zu sehen.
    Noch bevor Wex etwas dagegen unternehmen konnte, trugen seine Füße ihn nach Zornfleck, und er ließ es geschehen wie eine dankbare Geisel. Soldaten allein waren schon Attraktion genug, aber einen Magier konnte er sich einfach nicht entgehen lassen, dachte Wex und wurde mit jedem Schritt aufgeregter.
    Er wich einem Haufen Ochsendung aus und sprang über eine Pfütze. Die Zweite Straße wurde nicht besonders gut gepflegt. In Zornfleck gab es genau zwei Straßen, die für Pferde und Karren befahrbar waren. Sinnigerweise hießen sie Erste Straße und Zweite Straße. Die Erste Straße war eine wichtige Nord-Süd-Verbindung, und die Kaufleute benutzten sie viel, die Zweite jedoch endete an der Stadtgrenze und wurde im selben Maße vernachlässigt, wie die andere in Schuss gehalten wurde.
    Es war ein angenehmer Frühlingstag, nicht besonders warm, aber auch ohne den kalten Nordwind, der oft von den Zornbergen herunterwehte, und die Sonne lugte hin und wieder hinter der dünnen Wolkenschicht hervor. Wex trug ein abgewetztes Hemd unter dem halbwegs präsentabel aussehenden Kittel und Kniehosen aus dünnem Schweinsleder. Pflichtbewusst hatte seine Mutter noch vor
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