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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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einer Seereise nach Westen, um Indien zu finden. Im Westen! Amerigos Visionen waren fast so verrückt wie meine eigenen.
    Zwei Stunden vergingen, bevor der erste Bittsteller in das Arbeitszimmer Seiner Exzellenz geführt wurde. Nach einer Stunde erschien der Adlatus erneut und rief den nächsten Namen auf. Wie lange würde ich mich gedulden müssen? Würde er mich überhaupt empfangen? Ich hatte ja nicht einmal meinen Namen genannt … oder was ich mir von ihm erhoffte. Unruhig rutschte ich auf dem Sessel herum. So viel hing für mich von diesem Treffen ab!
    Das dreigängige Mittagessen, das der Magnifico seinen Gästen servieren ließ, um ihnen die Wartezeit zu verkürzen, war köstlich: Agnelotti mit Lammfüllung, gebratene Flusskrebse in Weinsauce, Pasteten, Torten, Obst und Marzipankonfekt. Mit einem Zinnbecher Wein zog ich mich nach dem Mahl in meinen Sessel zurück und blätterte in einer Handschrift der Divina Commedia , die auf einem der Tische gelegen hatte.
    Die Stunden verwelkten im Licht der untergehenden Sonne wie Herbstlaub. Es war später Nachmittag und der Magnifico hatte erst sechs der Bittsteller zu sich rufen lassen, als sein Sekretär den Saal betrat: »Seine Magnifizenz empfängt heute nicht mehr. Er bittet die Signori, ihn zu entschuldigen und morgen erneut um eine Audienz nachzusuchen.«
    Enttäuschung: Das war es, was ich in diesem Augenblick empfand – ein schmerzhaftes Gefühl und die Erkenntnis, mich einer Illusion hingegeben zu haben. Lorenzo de’ Medici hatte die Signori nicht empfangen, obwohl er wusste, wer sie waren und was sie von ihm wollten. Warum sollte er mich zu sich bitten, da er doch nicht einmal meinen Namen kannte?
    Alles vergebens: all die Hoffnungen, all die Ängste! Ich hatte die weiteste Reise angetreten, die ein Mensch machen kann, weiter als die Seereise, die Amerigo plante: den Weg in den Palazzo Medici, den Weg in ein anderes, glücklicheres Leben, eine Reise ohne Wiederkehr. Ich war nach wenigen Schritten gescheitert, musste umkehren und dorthin zurückgehen, woher ich gekommen war.
    Ich erhob mich zusammen mit den Signori, die unwillig murmelnd aus dem Raum strömten.
    Der Sekretär winkte mich zu sich. »Bitte folgt mir, Madonna Caterina«, murmelte er leise und ging voran.
    »Wohin?«, fragte ich verwirrt.
    »Zu Seiner Exzellenz: Er wird Euch empfangen.«
    »Aber er hat doch alle Signori wegschicken lassen«, wandte ich überrascht ein, während ich ihm durch den Palazzo folgte.
    »Seine Magnifizenz war neugierig, als ich ihm berichtete, dass eine junge Madonna, die ihren Namen nicht nennen wollte, ihn zu sprechen wünscht. ›Bringt diese geheimnisvolle Caterina zu mir‹, befahl er mir.« Der Sekretär öffnete eine Tür und ließ mich eintreten. »Bitte wartet hier, Madonna Caterina! Seine Exzellenz spricht noch mit Generaldirektor Francesco Sassetti und den Filialleitern der Banca Medici in Rom, Mailand und Lyon. Sobald die Unterredung beendet ist, wird er Euch hier in seinem Studierzimmer empfangen.«
    Er schloss die Tür hinter sich und ließ mich allein. Im Allerheiligsten des Medici-Imperiums! Ich konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken: Lorenzo de’ Medici würde mich empfangen! In wenigen Minuten würde ich ihm gegenüberstehen. Meine Knie zitterten vor Aufregung.
    Da ich sowieso nicht stillsitzen konnte, sah ich mich im Studierzimmer um. Die Kerzen waren wegen der herabsinkenden Dämmerung bereits entzündet worden und tauchten den Raum in ein geheimnisvolles Licht. In der Luft hing ein feiner Duft nach kostbaren Pergamenten, nach Tinte und eleganter Gelehrsamkeit.
    Vor dem Fenster bog sich ein Schreibtisch mit wertvollen Intarsienarbeiten unter einem Berg von Pergamentrollen, illustrierten Handschriften, Briefen, Gedichten und hingekritzelten Notizen, einem Tintenfass, Federn, Siegelwachs und einem Petschaft mit dem Wappen der Medici. Davor stand ein mit rotem Leder bezogener Stuhl.
    Ein Stapel Bücher lag auf dem Lesepult neben dem Kamin. Mein Blick glitt über die Buchrücken, doch meine Griechisch-Kenntnisse reichten gerade aus, um den Titel auf Platons Apologie des Sokrates zu entziffern. Einige der anderen Werke, wie Senecas Schrift über das glückliche Leben, kannte ich aus Amerigos Bibliothek. Der dickste Foliant auf dem Lesepult, halb verborgen unter einem chaotischen Haufen anderer Werke, war Giovanni Pico della Mirandolas Conclusiones. Von diesem geheimnisvollen Werk hatte ich bisher nur durch die Buchhändler gehört. Die
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