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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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ich endlich vor seinen Tisch trat.
    »Eine Audienz bei Seiner Exzellenz«, sagte ich selbstbewusst.
    Er steckte die Feder ins Tintenfass und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Was wollt Ihr von ihm?«, fragte er, während er sich die von der Tinte geschwärzten Finger an einem Tuch abwischte.
    Das war die befürchtete, alles entscheidende Frage: Wer bist du, und was willst du? Die Frage, die über mein Leben und meine Zukunft entschied. Die Frage, die mich in den Abgrund stürzen konnte oder die Treppe hinauf zu Lorenzo de’ Medici brachte. »Nichts«, sagte ich zu seiner Verblüffung. »Ich will nichts von ihm – außer einer Antwort.«
    »Und Ihr glaubt, dass er die Frage hören will, auf die er antworten soll?«, zweifelte der Schreiber. Er gab den Versuch auf, die Tinte von seinen Fingern zu wischen, und warf das Tuch auf seinen Schreibtisch.
    »Ja«, lächelte ich verschmitzt. »Er weiß es nur noch nicht.«
    Der Schreiber lachte über meine Schlagfertigkeit. »Nun, dann sollten wir Seine Magnifizenz wissen lassen, dass Ihr ihn zu sprechen wünscht.« Er griff zur Feder und zog ein unbeschriebenes Pergament zu sich heran. »Wie ist Euer Name?«
    »Caterina.«
    »Caterina – und weiter?« Die Hand mit der Feder schwebte abwartend über dem Pergament, und als ich nicht sofort antwortete, sah er ungeduldig auf. Ein Tropfen schwarzer Tinte fiel von der Federspitze auf das Pergament hinter meinen Namen. Ein ungewollter Tintenklecks: Das war mein Name! Unbeabsichtigt und unerfreulich – wie meine Geburt. »Wie ist Euer Name?«
    »Das ist die Antwort auf meine Frage an Lorenzo de’ Medici«, erklärte ich mit rätselhaftem Lächeln.
    Der Schreiber starrte mich verblüfft an und zog die Stirn in Falten. Die Frage, ob er mich vorlassen sollte, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Doch dann winkte er seinen Adlatus heran, der dem Sekretär des Magnifico das Pergament mit meinem Namen überbringen sollte. Mochte der entscheiden, ob ich von Lorenzo empfangen wurde oder nicht.
    »Geht die Treppe auf der rechten Seite der Hofarkaden hinauf bis zum ersten Stock, Madonna Caterina. Ihr werdet in einen Warteraum geleitet werden.« Ich nickte und wollte mich schon abwenden, als er mir »Viel Glück!« wünschte.
    Dankend verließ ich mit seinem Adlatus die Schreibstube. Rechts neben dem Eingangsportal des Palazzo befand sich ein schmiedeeisernes Gitter, das von mehreren Bewaffneten bewacht wurde. Plötzlich verstand ich, warum Amerigo den Palazzo die Fortezza – die Festung – nannte: Niemand kam unbemerkt mit einem verborgenen Dolch hinein … oder lebendig wieder heraus.
    Zwei Wachen traten mir entgegen, als ich mich dem Treppenaufgang näherte: »Waffen?«
    »Nur mein Lächeln«, antwortete ich schlagfertig. »Und das wird den Magnifico nicht umbringen.«
    Ich zog meinen Dolch aus dem Ärmel und reichte ihn den Leibwächtern. Dann durfte ich die Stufen zum ersten Stock hinaufsteigen. Der Gehilfe des Schreibers geleitete mich in einen Saal, wo bereits zwei Dutzend Männer warteten.
    Der Warteraum war so groß wie ein Bankettsaal. Auf einer Tafel in der Mitte des Raumes waren silberne Obstschalen mit Äpfeln und Trauben, getrockneten Feigen und süßem Mandelgebäck arrangiert worden, daneben standen Karaffen mit gewürztem Wein und Zinnbecher. An den Wänden und um den großen Tisch herum gruppierten sich Stühle mit Lederpolsterung, die gemütlicher aussahen als Amerigos Lesesessel in seinem Studierzimmer.
    »Wie lange wird es dauern, bis ich von Seiner Exzellenz empfangen werde?«, fragte ich den jungen Mann, der mich die Treppe hinaufbegleitet hatte.
    Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht bis nach dem Mittagessen, vielleicht bis nach Sonnenuntergang.« Er wies mit einer weit ausholenden Geste auf die Wartenden im Raum. »Diese Signori wollen vor Euch mit ihm sprechen – falls er sie empfängt.«
    » Falls er sie empfängt?«, fragte ich.
    »Seine Exzellenz hatte gestern einen sehr schmerzhaften Gichtanfall, sodass er das Bett nicht verlassen konnte. Heute Morgen ist er noch nicht aufgestanden. Ich weiß nicht, ob er heute überhaupt Besucher empfängt.« Der Adlatus verschwand und brachte das Pergament mit meinem Namen zu Lorenzos Sekretär.
    Die endlose Wartezeit verbrachte ich lesend: Paolo Toscanellis Manuskript seines unveröffentlichten Buches Imago Mundi. Der berühmte Astronom hatte es seinem Schüler Amerigo geschenkt, der es mit unzähligen Marginalien versehen hatte: in Worte gegossene Träume von
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