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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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fragte er leise, als fürchtete er die Antwort.
    »De’ Medici, Euer Exzellenz.«
    Lorenzo schwieg und betrachtete mich, als wären wir uns eben erst begegnet. »De’ Medici?«, flüsterte er.
    »Euer Bruder Giuliano liebte Simonetta. Ganz Florenz verfolgte die Affäre der beiden, und selbst der betrogene Gemahl, mein Stiefvater Marco, schwieg dazu. Sein Hass auf Giuliano war der Anlass, dass er sich zwei Jahre später an der Pazzi-Verschwörung gegen Euch beteiligte. Simonettas unverhoffte Schwangerschaft wurde von Piero Vespucci nicht nur wegen ihrer Krankheit geheim gehalten, sondern auch wegen des befürchteten Skandals. Nicht einmal der Vater wurde über die Geburt in Kenntnis gesetzt.«
    »Der Vater …?«, fragte Lorenzo.
    Der Gedanke, dass Giuliano mit Simonetta ein Kind der Liebe gezeugt hatte, schien ihn zu verletzen. Beide, Lorenzo und Giuliano, waren in Simonetta verliebt gewesen. Wegen Giulianos Affäre mit ihr war zwischen den Brüdern ein eifersüchtiger Streit entbrannt, der – angefacht durch Gerüchte aus den Gassen von Florenz und Unwahrheiten aus dem Freundeskreis – zum erbitterten Bruderkrieg zu werden drohte. Lorenzo und Giuliano hatten sich erst an Simonettas Grab wieder die Hand gereicht.
    »Ich glaube, dass Euer Bruder mein Vater war«, sagte ich.
    Der Magnifico schwieg und starrte erst mich, dann Giulianos Bronzebüste an. Welche Gedanken mochten jetzt durch seinen Kopf gehen? Glaubte er mir? Und wenn er mir glaubte: Was würde er tun? Eine Anerkennung von Caterina Vespucci als illegitime Tochter von Giuliano de’ Medici und Simonetta Vespucci würde in Florenz einen Skandal verursachen. Fünfzehn Jahre alte Gerüchte über Giulianos Affäre mit Simonetta und Lorenzos Zuneigung zur Geliebten seines Bruders würden hervorgekramt und aus allen Windrichtungen diskutiert werden. Simonettas Tod. Giulianos Ermordung während der Pazzi-Verschwörung. Die Verurteilung von Piero und Marco Vespucci als Verräter. Eine Menge schmutziger Wäsche würde gewaschen werden …
    Niemand in Florenz hätte über ein uneheliches Kind auch nur ein Wort verloren – aber bei der illegitimen Tochter eines Medici war das etwas anderes. Die Medici waren reich, mächtig und berühmt – berüchtigt auch dafür, dass sie nicht selten in anderen Betten als ihren eigenen schliefen. Cosimo hatte aus seiner Affäre mit einer dunkelhäutigen Sklavin einen Sohn, Piero beglückte mehrere Geliebte gleichzeitig, und auch Lorenzo hatte nicht nur Sonette vorgetragen, wenn er nachts in den Straßen von Florenz unterwegs war …
    Die Medici kümmerten sich um ihre Kinder – ganz gleich, welchen Namen sie trugen. Wenn Lorenzo de’ Medici mich formell als die Tochter seines Bruders anerkannte und mich damit zu einer Medici machte, konnte das eine wahre »Sündflut« hervorrufen: Anklagen und Prozesse gegen ihn und seinen verstorbenen Bruder. Der Trick, mit dem er seinen Neffen Giulio legitimierte, indem er erklärte, Giuliano und dessen Geliebte Fioretta Gorini hätten sich 1478 heimlich trauen lassen, hatte schon damals ungläubiges Gelächter hervorgerufen. Wenn also mein Bruder Giulio legitim war, dann konnte ich es nicht sein.
    Lorenzo de’ Medici schwieg noch immer. Er schien die Alternativen zu durchdenken, um zu einem Entschluss zu kommen. Wie konnte ich nur vergessen, dass auch er ein paar Zeilen unseres Dialoges zu sprechen hatte, dass auch er eine Entscheidung treffen musste! Und die war nicht leichter als meine. Was sollte ich tun, wenn er mir nicht glaubte? Was würde er tun? Mich aus dem Palazzo werfen lassen? Mich aus Florenz verbannen, weil ich den ungerechtfertigten Anspruch erhob, eine Medici zu sein?
    Es war Wahnsinn gewesen, hierher zu kommen! Diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag – unerwartet und umso schmerzhafter. Ich war wie aus einem schönen Traum erwacht: noch etwas benommen, aber schon wieder klar denkend. Wie hatte ich nur für einen Augenblick annehmen können, dass Lorenzo mir glaubte! Verzweifelt hielt ich mich an den Armlehnen des Stuhls fest wie an den Planken eines sinkenden Schiffes. Mein Traum von der Freiheit versank in den Fluten des Schweigens zwischen Lorenzo und mir, und eigentlich war ich froh, dass er nichts sagte.
    Er erhob sich von seinem Sessel, und einen Augenblick lang dachte ich, die Audienz sei beendet und er würde mich auffordern, aus seinem Palazzo und aus seinem Leben zu verschwinden. Doch er kam um den Schreibtisch herum und zog mich von meinem Stuhl, um mit
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